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Merken   Drucken   04.10.2011, 16:38 Schriftgröße: AAA

Verdacht auf Menschenhandel: Das große Geschäft mit öffentlichen Toiletten

Dubiose Dienstleister verdienen prächtig an der Reinigung öffentlicher Toiletten. Jetzt steht ein deutscher Betreiber in Belgien vor Gericht - wegen ausbeuterischer Niedriglöhne und Verdachts auf Menschenhandel. von Claus Hecking  Brüssel
Ihre "Madame Pipi" bekommen die meisten Belgier viel öfter zu Gesicht als das berühmte Manneken Pis. Madame Pipi, so heißt die bezahlte Reinigungskraft auf der öffentlichen Toilette, ist eine Institution in Belgien. Seit 1921 schützt sogar ein Gesetz die Saubermacher. Danach hat jeder Benutzer einen Obolus zu entrichten. Doch kaum einer weiß, dass seine 50 oder 80 Cent längst nicht immer in den Taschen der Ausputzer landen - sondern häufig in denen einer Toilettenmafia.
Seit Montag muss sich das Heilbronner Unternehmen Kronos vor einem Genter Arbeitsgericht verantworten. Die Anklage wirft Kronos Steuerhinterziehung, betrügerische Ausbeutung sowie Bezahlung unterhalb gesetzlicher Mindestlöhne vor. Von organisierter Kriminalität, Menschenhandel und moderner Sklaverei ist die Rede. Bis zu 16 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche, sollen Scheinselbstständige aus Moldawien oder Kasachstan für Kronos Toiletten auf belgischen Autobahnraststätten geputzt haben - teils gegen 2 bis 3 Euro pro Stunde. Brutto, natürlich. Reinigungsmittel und Klopapier mussten sie angeblich selbst bezahlen, zudem auf Campingplätzen nächtigen. Kronos war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Seit gut einem Jahrzehnt ermitteln deutsche Staatsanwälte, Steuer- und Zollfahnder bereits gegen Klobetreiber, die ihre Arbeitskräfte ausbeuten. Vor allem auf Raststätten mieten die Firmen Toiletten an, um Trinkgelder sowie Benutzungsgebühren zu kassieren. Ein großes Geschäft: Bis zu 250 Euro je Tag und Lokus kommen zusammen. Kronos zahlte seinen Putzkräften laut belgischen Medien 315 Euro netto - im Monat.
Das Unternehmen flog 2008 bei einer Razzia beim Raststättenbetreiber Carestel auf. Die Tochter der italienischen Autogrill, die ihre stillen Örtchen für 150 bis 260 Euro pro Stück und Monat vermietete, behauptet, nichts von den anrüchigen Praktiken des Subunternehmers gewusst zu haben. Die Genter Arbeitsschutzbehörde hält dies für ausgeschlossen. Carestel hat gerade angekündigt, die Toilettenreinigung künftig wieder selbst zu übernehmen.
Es täte wohl auch dringend not. "Die Firmen, die jetzt für Carestel arbeiten, sind noch schlimmer als wir", sagte Ex-Kronos-Geschäftsführer Charalampos T. der FTD. Kronos ist laut der Zeitung "De Standaard" bis heute auf deutschen Autobahnen aktiv. Eine Sprecherin des Quasimonopolisten Tank & Rast bestritt dies auf FTD-Anfrage: Die Pächter hielten sich an gesetzliche Vorgaben.
  • FTD.de, 04.10.2011
    © 2011 Financial Times Deutschland,
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