Virtuelle Welten

Eine Sammlung von literarischer Virtueller Welten

In diesem Artikel wird definiert, was unter einer Virtuellen Welt zu verstehen ist und es werden Romane und Filme aufgelistet, die Virtuelle Welten thematisieren.


Virtuelle Welten

Virtuelle Welten sind Welten, die künstlich erzeugt wurden und in denen die Bewohner denken, es seien echte Welten. Eine "virtuelle" Welt wird erkenntnistheoretisch auch eine Ebene-2-Welt genannt. Virtuelle Welten sind besondere Formen sozialer Wirklichkeiten, die wie letztere nur durch gesellschaftliches Handeln entstehen. Stanislaw Lem beschrieb in seinem Werk Summa technologicae mit der Phantomatik die Technik zur Erzeugung virtueller Welten und mit der Phantomologie die Theorie zur Erforschung virtueller Welten.

Das Spannende an den Geschichten um Virtuelle Wirklichkeiten ist der mögliche Übergang von einer Realtitätsebene in eine andere. So findet sich in Matrix eine längere Diskussion darüber, weshalb man denn überhaupt in eine materiellere Welt wechseln möchte, wenn es einem in der virtuellen Welt doch gut geht.

Virtuelle Welten können hergestellt werden mittels


  • Computersimulation (Welt am Draht, Matrix, eXistenZ)
  • chemischer Beeinflussung (Der futurologische Kongress)
  • oder durch eine riesige Bühne (Die Truman Show)

In Virtuelle Welten gelangt man durch


  • Erzeugung (Welt am Draht)
  • Geburt (Matrix, Die Truman Show)
  • oder durch Manipulation (Der futurologische Kongress, eXistenZ)

Romane

  • 1959 Philip K. Dick: Time Out of Joint (dt. Zeit aus den Fugen)
  • 1966 Philip K. Dick: Ubik
  • 1964 Daniel F. Galouye: Simulacron-3
  • 1971 Stanislaw Lem: Der futurologische Kongress

Filme

  • 1973 Rainer Werner Fassbinder: Welt am Draht (Verfilmung von Simulacron-3)
  • 1997 Alejandro Amenábar: Abre los ojos (Virtual Nightmare – Open Your Eyes)
  • 1998 Peter Weir: Die Truman Show (basierend auf Time Out of Joint)
  • 1999 Roland Emmerich: The 13th Floor (Verfilmung von Simulacron-3)
  • 1999 Andy und Larry Wachowski: Matrix Teil 1 (2003 Teile 2 Matrix Reloaded und 3 Matrix Revolutions)
  • 1999 David Cronenberg: eXistenZ
  • 2001 Cameron Crowe: Vanilla Sky (Remake von Abre lso ojos)
  • 2008 Phillip Hudson: Homeworld - Aliens vs. Mankind

Wir sind Science Fiction

Ende der 1990er Jahre folgten im kurzen Abstand mehrere Filme, die Virtuelle Welten zum Gegenstand hatten. Eine Ursache hierfür kann die Aufladung des Jahres 2000 mit "Science Fiction" gewesen sein. Seit Louis-Sébastien Mercier 1771 mit seinem Werk "Das Jahr 2440. Der Traum aller Träume" schrieb und damit nicht nur den Übergang der Raum-Utopien zu den Zeit-Utopien markierte und der Science-Fiction-Literatur Bahn brach, wird das Jahr 2000 mit Science-Fiction gleichgesetzt und zwar nicht nur in Literatur und Film. Auch technische Produkte verkauften sich besser, wenn sie mit "2000" attributiert wurden (Siemens XS 2000, Braun Konstant 2010, Hoover 2000 S, Windows 2000, Global 2000).
Technische Zukunft - das war zweihundert Jahre lang eine vierstellige Zahl, die mit der Ziffer 2 beginnt. Kein Wunder also, dass einem der Übergang von 1999 nach 2000 so vorkam, als würde man in eine virtuelle Welt reingezogen. Wir haben das Jahr 2009, wir sind Science Fiction, wir sind Ebene 2. Daher die Begeisterung für die Matrix-Filme am Ende des letzten Jahrtausends. Wir gehören hier nicht hin. Zukunft hat man vor sich und man ist da nicht drin. Oder, wenn man schon im Science Fiction ist, dann kann man besser gleich Matrix gucken. Mit Flachbildschirm versteht sich.

Virtuelle Interventionen

In der Sciene-Fiction Literatur werden häufig geheime Interventionen von technisch überlegenen Zivilisationen in noch nicht so weit entwickelte Gesellschaften problematisiert.

Die ersten Sciene-Fiction-Autoren, die systematisch die Möglichkeit durchdachten, mittelalterliche Gesellschaften zu manipulieren und als eigene Zivilisation ebenfalls gelenkt zu werden, sind die Bründer Arkadi und Boris Strugazki. Bereits Anfang der 1960er Jahre drehten sich die "Mittags-Erzählungen" (benannt nach dem Band "Mittag, 22. Jahrhundert" von 1962) um die Interventionen der zur Raumfahrt fähigen Menschheit, die ihrerseits durch die "Wanderer" unbemerkt beeinflusst wurden. Bekannt wurde vor allem ihr Roman "Ein Gott zu sein ist schwer" von 1964, welcher 1990 unter dem Titel "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein" verfilmt wurde.

Gerard ter Borch: Die Beschwörung des
 Spanisch-Niederländischen Friedens
 im Rathaus zu Münster 1648

Erste Direktive: Nicht-Einmischung

Auch die Star-Trek Fernsehserie problematisiert die Interventionen. Die Förderation der Planeten in dieser Serie basiert auf dem Prinzip der Souveränität von planetaren Zivilisationen, also einer Fortführung des Westfälischen Systems. Oberste Direktive der Raumflotte ist die Nichteinmischung.
Die Hauptdirektive ist kurz gehalten:
"No identification of self or mission. No interference with the social development of said planet. No references to space or the fact that there are other worlds or civilizations."[1]
Diese Formulierung der Hauptdirektive findet sich im Star Trek-Film Bread and Circuses vom März 1968. Hier gibt es allerdings mit der Direktive 22 die Ausnahme für Planeten, die von Nichteingeborenen kontrolliert werden und deren Entwicklung daher stagniert. In diesem Fall darf eine Veränderung der Sozialstruktur vorgenommen mit dem Ziel einer Beendigung der technologischen Stagnation. Intelligentes Leben darf vernichtet werden, wenn es gegen die Hauptdirektive verstößt (Direktive 23), was auch die Vernichtung des Lebens eines ganzen Planeten miteinbezieht (Direktive 24).

Die Zoo-Hypothese

Als eine Antwort auf das sogenannte "Fermi-Paradox", benannt nach dem Physiker Enrico Fermi, welches im Widerspruch zwischen dem Alter des Universums, der Möglichkeit von zahlreichen Planeten mit intelligentem Leben und dem Nicht-Auffinden von extraterristischen Lebensspuren besteht, gilt die sogenannte Zoo-Hypothese. Danach ist die Erde für extraterristische Lebensformen eine Art von Zoo, welche beobachtet und eventuell auch manipuliert wird. In Doris Lessings Science Fiction Romanen Canopos in Argos spielt diese Idee eine Rolle. Insbesondere im ersten Band Shikasta wird die Idee durchgespielt, die Erde befände sich im Ränkespiel konkurrierender Lebensformen.

Sozialistische Interventionen: Der Kultur-Zyklus

In den Romanen seines Kultur-Zyklus hat der schottische Schriftsteller Iain M. Banks eine raumfahrende Kultur geschaffen, die bewusst interveniert. Zuständig für die sanfte Intervention ist die Abteilung "Kontakt" und der Geheimdienst "Besondere Umstände". Die Probleme, die sich aus diesen Interventionen ergeben, werden in allen Romanen des Kultur-Zyklus, insbesondere jedoch in den Romen Inversionen [2] und Die Sphären [3] geschildert. Die anarchistisch-sozialistische Gesellschaft der Kultur empfindet es überwiegend als Verpflichtung anderen in ihrer Entwicklung zu helfen.


Virtuelle Welt
- der Tokyo Tower als Matrix
Foto von nakae
cc-by-2.0

Siehe auch:



Literatur

  • Stanislaw Lem: "Summa technologiae", Kraków: Wydawwnictwo Literackie 1964, Deutsche Ausgabe: "Summa technologiae", Frankfurt a. M. 2. Auflage 1982: suhrkamp taschenbuch
  • Hilary P. Dannenberg: Virtuality in Narrative Fiction, in: Diss.sense, Zeitschrift für Literatur & Kommunikation, Konstanz 1998 online




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References

  1. Wikipedia-Artikel zur Ersten Direktive.
    link
  2. Iain M. Banks: Inversionen. Heyne, München 2000
  3. Iain M. Banks: Die Sphären ('Matter'), Heyne München 200

Comments

Andreas Kemper
Soziologe (M.A.)
Münster, Deutschland (Germany)
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Last edited: Jul 9, 2010 1:51 PM.

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