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Merken   Drucken   05.01.2012, 18:52 Schriftgröße: AAA

Out of Office: Der Tee ist fertig

Er ist eine Institution der türkischen Wirtschaft, auf die selbst Startups nicht verzichten: der Teemann, die Seele jedes Büros. von Nikolai Fichtner  Istanbul
Eigentlich dürfte es den Arbeitsplatz von Turan Abi schon lange nicht mehr geben. Rationalisierungswellen und der technische Fortschritt müssten ihn hinweggefegt haben, aber seit 20 Jahren steht er hier oben im neunten Stock des Hürriyet Medya Tower und kocht für die Belegschaft der Dogan-Mediengruppe den Tee. Und nichts und niemand wird etwas daran ändern.
In Deutschland mag die Teeküche so etwas wie die Schmuddelecke der Wirtschaft sein, wo so lange gelästert und gekungelt wird, wie eine röchelnde Maschine braucht, um einen fiesen Kaffee auszuspucken oder das Wasser aufzukochen. Zurück bleiben dann ein Stapel nicht eingeräumter Becher und ein kalter Teebeutel, der braune Schlieren in der Spüle zieht. In der Türkei dagegen ist die Teeküche eine Wellness-Oase. Hier regiert der Teemann, der Cayci - eine nationale Business-Institution. Jedes Unternehmen hat einen, vom Großkonzern bis zum Startup. Morgens ist er der Erste, der kommt. Und abends meistens der Letzte, der bleibt, zusammen mit dem Chef. Er kocht und verwaltet nicht nur den starken, schwarzen Tee, sondern er ist auch für die Stimmung zuständig, für Betriebsgeheimnisse und den Unternehmensfrieden.
Führungskräfte werden am Platz bedient, normale Angestellte ...   Führungskräfte werden am Platz bedient, normale Angestellte kommen zu ihm: Teemann Turan hat für jeden die richtige Mischung
So wie Turan Abi, Bruder Turan, wie seine Kunden ihn nennen. 40 Jahre ist er alt, sein halbes Leben lang steht er schon in der Teeküche. Jeden Tag kommt er morgens um 7 Uhr, zwei Stunden vor allen anderen. In weißem Hemd, schwarzer Weste, mit schwarzer Fliege. Und mit einem Lächeln, das viele Zähne zeigt. Das ist seine Arbeitsuniform; er trägt sie gern. Vom sechsten bis zum zehnten Stock des Hochhauses erstreckt sich Turans Revier. Aber er hat auch Kunden aus anderen Stockwerken, die extra zu ihm kommen. "Ich lächele immer", sagt Turan. "Das ist das Geheimnis."
Vier Kannen füllt er jeden Morgen mit den immergleichen schwarzen Teeblättern vom Schwarzen Meer und gießt nur wenig Wasser dazu. Dann lässt er sie eine halbe Stunde lang ziehen, mindestens. Der Tee wird so dunkel wie stark. Pur kann ihn keiner trinken. Also verdünnt ihn Turan später mit heißem Wasser. Ein Teil Tee, drei Teile Wasser, fünf oder sechs, je nach Mitarbeiter.
Die meisten Istanbul-Touristen kennen den Apfeltee, der ihnen im Großen Basar in jedem Laden angeboten wird und der den anschließenden Teppichkauf einleitet. Türken würden das grüne Gesöff nie trinken. Für sie muss der Tee dunkelbraun sein, variabel ist nur die Anzahl der Zuckerstücke darin.
Aber die Funktion ist dieselbe: Der Tee ist das Schmiermittel der türkischen Wirtschaft. Ob der werte Gast einen Tee mag? Diese Frage eröffnet jede interne Konferenz, jedes Interview, jede Verhandlung mit Geschäftspartnern. Und wenig später betritt der Cayci den Raum, ein Tablett mit tulpenkopfförmigen, braun leuchtenden Gläsern in der Hand. Mit dem Tee bringt er: Gemütlichkeit und Gastfreundschaft.
"Tee entspannt die Menschen", sagt Turan. Wenn er sieht, dass zwei Mitarbeiter sich streiten, bringt er ihnen heißen Tee vorbei. Den muss man ganz langsam trinken, in kleinen Schlucken.

Teil 2: "Es ist undenkbar, dass Manager das selbst machen"

  • Aus der FTD vom 06.01.2012
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