Wie jetzt Wulff ließ Guttenberg großen Mangel an Einsicht und Demut erkennen, zeigte dafür aber ein gehöriges Maß an Dreistigkeit. Wie jetzt Wulff stellte er sich als Opfer einer wilden Medienmeute dar, die nur ein Ziel habe, nämlich ihn zu Fall zu bringen. Wie jetzt Wulff versuchte Guttenberg mit öffentlich zur Schau gestellter Reue, die eigentlich keine ist, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Wie jetzt Wulff begründete er sein Fehlverhalten mit Belastung und äußeren Umständen, insbesondere der rund um seine Familie.
Guttenberg stellte sich sogar ein bisschen als Vorreiter für eine saubere Wissenschaft dar. Auch Wulff schafft es, die Wirklichkeit so zu verdrehen, dass seine Welt als heil erscheint. So erklärt er in dem Interview, dass nicht die Unternehmersfrau Edith Geerkens ihm einen Gefallen getan habe, indem sie ihm 500.000 Euro zu freundschaftlichen Konditionen lieh, sondern er ihr: "Man muss es doch sehen: 2008 war die Bankenkrise. Da wollte Frau Geerkens das Geld bei mir anlegen zu diesen Zinsen, weil in der Bankenwelt das so auch gar nicht ohne Weiteres realisierbar war."
Wie Guttenberg benutzt auch Wulff permanent das Wort "man", um das "ich" zu vermeiden. "Man muss eben auch wissen, dass man nicht gleich bei der ersten Herausforderung wegläuft, sondern dass man sich der Aufgabe stellt", erläutert das Staatsoberhaupt seinen Zuhörern und vermittelt damit das Gefühl, als bezögen sich seine Einsichten nicht auf ihn, sondern andere.
Den simplen Schluss zu ziehen, Wulff kopiere den Plagiator - das wäre zu kurz gegriffen. Beide gehören zu der Sorte deutscher Politiker am Beginn des 21. Jahrhunderts, die mit einem Machterhaltungsmodus ausgestattet sind, der blind macht und die Realität verzerrt. Hauptsache kein Rücktritt. Ob das der Demokratie schadet, spielt eine untergeordnete Rolle.
Der einzige Unterschied zu Guttenberg ist, dass Wulff längst nicht so selbstsicher, abgezockt und eloquent daherkommt wie der CSU-Mann, der selbst im Jogginganzug staatsmännischer wirkt, als der (noch) amtierende Bundespräsident es jemals tun wird. Das macht Wulff für viele durchaus sympathisch. Und es ist sehr gut möglich, dass er damit den einen oder anderen Bürger für sich gewinnen kann, wenn er Sätze sagt wie: "Trotzdem ist man Mensch und macht Fehler" oder "Man wird auch ein bisschen demütiger."