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Merken   Drucken   05.01.2012, 09:41 Schriftgröße: AAA

Kreditaffäre des Bundespräsidenten: Wulff, der Guttenberg für Arme

Larmoyant, provinziell und uneinsichtig - so hat sich der Bundespräsident seinem Volk präsentiert. In seiner Dreistigkeit erinnert er an Karl-Theodor zu Guttenberg. Aber zumindest hat Wulff vor Millionenpublikum bestätigt: Die Kanzlerin hat den Falschen ausgesucht.
© Bild: 2012 DPA/Bildfunk/Maurizio Gambarini
Kommentar Larmoyant, provinziell und uneinsichtig - so hat sich der Bundespräsident seinem Volk präsentiert. In seiner Dreistigkeit erinnert er an Karl-Theodor zu Guttenberg. Aber zumindest hat Wulff vor Millionenpublikum bestätigt: Die Kanzlerin hat den Falschen ausgesucht. von Thomas Schmoll 
Schloss Bellevue verkommt zum Gespensterschloss. Sein Herr ist von allen guten Geistern verlassen. Was Christian Wulff in seinem Gnadengesuch bei ARD und ZDF von sich gegeben hat, beendet den bösen Spuk namens "Kreditaffäre" nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Denn nach dem Auftritt Wulffs werden sich diejenigen, die den Bundespräsidenten aus dem Amt jagen wollen, bestätigt sehen, dass er für den Posten nicht taugt. Und diejenigen, die noch an ihn glaub(t)en, werden vom Glauben abfallen oder sind es schon.
Präsident in Not Wulffs mögliche Erben
21 Minuten hatte Wulff Zeit, seinen Job zu retten. Das Interview war seine letzte Chance, reinen Tisch zu machen und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass er doch für Offenheit, Transparenz und Wahrheit steht. Fehlanzeige auf ganzer Linie. Wulff hat all das bestätigt, was ihm seine Kritiker zu Recht vorwerfen: Er ist ein Provinzpolitiker, Salamitaktiker und als Staatsoberhaupt überfordert.
Sein Verhalten - insbesondere das denkwürdige Interview am Mittwochabend - erinnert an die Strategie von Karl-Theodor zu Guttenberg in der Plagiatsaffäre. Auch der gefallene CSU-Star setzte auf Salamitaktik und gab immer nur das zu, was ihm sowieso gerade nachgewiesen wurde.
Die Äußerungen von Christian Wulff in ARD und ZDF sind...

 

Die Äußerungen von Christian Wulff in ARD und ZDF sind...

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Wie jetzt Wulff ließ Guttenberg großen Mangel an Einsicht und Demut erkennen, zeigte dafür aber ein gehöriges Maß an Dreistigkeit. Wie jetzt Wulff stellte er sich als Opfer einer wilden Medienmeute dar, die nur ein Ziel habe, nämlich ihn zu Fall zu bringen. Wie jetzt Wulff versuchte Guttenberg mit öffentlich zur Schau gestellter Reue, die eigentlich keine ist, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Wie jetzt Wulff begründete er sein Fehlverhalten mit Belastung und äußeren Umständen, insbesondere der rund um seine Familie.
Guttenberg stellte sich sogar ein bisschen als Vorreiter für eine saubere Wissenschaft dar. Auch Wulff schafft es, die Wirklichkeit so zu verdrehen, dass seine Welt als heil erscheint. So erklärt er in dem Interview, dass nicht die Unternehmersfrau Edith Geerkens ihm einen Gefallen getan habe, indem sie ihm 500.000 Euro zu freundschaftlichen Konditionen lieh, sondern er ihr: "Man muss es doch sehen: 2008 war die Bankenkrise. Da wollte Frau Geerkens das Geld bei mir anlegen zu diesen Zinsen, weil in der Bankenwelt das so auch gar nicht ohne Weiteres realisierbar war."
Wie Guttenberg benutzt auch Wulff permanent das Wort "man", um das "ich" zu vermeiden. "Man muss eben auch wissen, dass man nicht gleich bei der ersten Herausforderung wegläuft, sondern dass man sich der Aufgabe stellt", erläutert das Staatsoberhaupt seinen Zuhörern und vermittelt damit das Gefühl, als bezögen sich seine Einsichten nicht auf ihn, sondern andere.
Den simplen Schluss zu ziehen, Wulff kopiere den Plagiator - das wäre zu kurz gegriffen. Beide gehören zu der Sorte deutscher Politiker am Beginn des 21. Jahrhunderts, die mit einem Machterhaltungsmodus ausgestattet sind, der blind macht und die Realität verzerrt. Hauptsache kein Rücktritt. Ob das der Demokratie schadet, spielt eine untergeordnete Rolle.
Der einzige Unterschied zu Guttenberg ist, dass Wulff längst nicht so selbstsicher, abgezockt und eloquent daherkommt wie der CSU-Mann, der selbst im Jogginganzug staatsmännischer wirkt, als der (noch) amtierende Bundespräsident es jemals tun wird. Das macht Wulff für viele durchaus sympathisch. Und es ist sehr gut möglich, dass er damit den einen oder anderen Bürger für sich gewinnen kann, wenn er Sätze sagt wie: "Trotzdem ist man Mensch und macht Fehler" oder "Man wird auch ein bisschen demütiger."

Teil 2: Berufung auf die Menschrechte

  • FTD.de, 05.01.2012
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Kommentare
  • 07.01.2012 16:12:32 Uhr   Herbert: Wulff

    Deutschlands mediale "Moralwächter" entblöden sich in der Geschichte um Herrn Wulff gnadenlos. Es ist geradezu peinlich wie die ganzen Aasgeier sich drauf stürzen und einen "Furz" zum Orkan aufbauschen. Aber das passt in die Medienwelt Deutschlands, Bauer sucht Frau und DSDS und jetzt mit der Bild als Moralhüter. Eckelhaft ist es

  • 07.01.2012 15:55:52 Uhr   erh44: emotionale belastung
  • 06.01.2012 17:43:53 Uhr   ODILO: Handschlag
  • 06.01.2012 09:01:35 Uhr   odilo: Wulf
  • 05.01.2012 22:21:06 Uhr   Detlev Funk: Wie heisst Eure Zeitung doch gleich?
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