Bernhard Pörksen ist Experte für Krisenkommunikation und Professor für Medienwissenschaften an der Universität Tübingen.
FTD Christian Wulff befand sich nach der Anfrage der "Bild"-Zeitung in einer Zwickmühle. Entweder gilt er als Vertuscher oder als Lügner. Wie kommt man da raus?
Bernhard Pörksen Das geht kaum. Christian Wulff hat sich entschieden, an die Vertraulichkeit des Anrufs zu erinnern, und hat die Anfrage abgelehnt. Fakt ist jedoch: Er hat sich erneut in ein Kommunikationsdilemma hineinmanövriert, indem er am Mittwochabend sagte, er habe die Veröffentlichung des Artikels nicht verhindern, sondern nur um einen Tag verschieben wollen. Darauf hat die "Bild"-Zeitung nun entsprechend reagiert - und ihre Version des Anrufs wiederholt.
FTD Eine Grundregel der Krisenkommunikation lautet: keine Salamitaktik. Steht Wulff jetzt wieder als Trickser da?
Pörksen Dieser Eindruck könnte zumindest entstehen. Die Medien versuchen jedoch auch, diesen Eindruck hochzuhalten. Wir befinden uns medial in einer Art Skandalisierungsstarre. Und es gilt, sich daran zu erinnern: Im Moment steht Aussage gegen Aussage. Doch in der Sphäre einer derart riskanten Krisenkommunikation sollte man Teilgeständnisse und Zusatzbehauptungen, die wiederum angreifbar sind, unterlassen. Zumal im digitalen Zeitalter eine ganz neue Geschwindigkeit entstanden ist. Man kann nicht mehr auf Zeit spielen.
FTD Kann man gegen die "Bild"-Zeitung überhaupt gewinnen?
Pörksen Darum geht es hier nicht. Wulff sind von Anfang an massive Fehler im Krisenmanagement unterlaufen. Das Interview am Mittwoch sollte ja ein Schlussstrich sein. Das Ganze war ein öffentlich inszenierter Kniefall, eine große Demutsgeste. Das Erstaunliche: Auch damit hat sich der Bundespräsident wieder angreifbar gemacht. Die entscheidende Frage ist: Hat Wulff keine Berater, die mit ihm mögliche neue Angriffspunkte durchspielen? Interview: Svenja Hering