FTD.de » Politik » Europa » Thomas Fricke - Sinnfrage nach 499 Anläufen

Merken   Drucken   16.12.2011, 11:00 Schriftgröße: AAA

Kolumne: Thomas Fricke - Sinnfrage nach 499 Anläufen

Neurobiologische Forschungen lassen sehr zweifeln, wie aufnahmebereit das menschliche Gehirn für die Gedanken anderer ist. Fragt sich, ob eine Kolumne dann nicht zwecklos ist. von Thomas Fricke 
Vielleicht kennen Sie das auch. Sie versuchen, Onkel Herbert zu überzeugen, dass man, sagen wir, die Grünen heute durchaus wählen kann, haben zwei Dutzend Argumente, Zahlen, Fakten. Und am Ende sagt Herbert: Ja, mein Junge, ich weiß, die stricken im Bundestag und haben ja so schmuddelige Sachen an. Alles umsonst.
Thomas Fricke   Thomas Fricke
So ähnlich geht es einem gelegentlich, wenn man eine Kolumne über wirtschaftspolitische Problemstellungen schreibt, heute zum 500. Mal freitags an dieser Stelle. Da hat man auch viele Argumente, Zahlen und Experten zusammengetragen, und am Ende gibt es Leser, die sich für etwas bedanken, was man gar nicht geschrieben hat.
Umso größere Zweifel schossen vor Kurzem in mir hoch, als ich einen großen Neurobiologen traf, dessen Erkenntnisse man etwa so übersetzen könnte: dass jeder Mensch seine Kerndeutung der Welt festlegt, lange bevor erstmals ein Kolumnist die Chance hat, daran etwas zu ändern. Was Kolumnen irgendwie zwecklos erscheinen lässt. Jedenfalls im Normalfall.
Wundersame Hirnwindung
Getroffen habe ich Al Seckel bei einem Dinner in Davos, bei dem er eindrucksvoll darlegte, wie das menschliche Gehirn Dinge wahrnimmt und verarbeitet, wobei das Wahrnehmen an sich bei allen gleich ist. Über das Verarbeiten entscheide dagegen ein System aus politischen, ethischen und anderen Glaubenssätzen. Und das sei eben nicht bei allen dasselbe.
Hier liegt die Krux. Beim Messen von Hirnsströmen kam Erstaunliches heraus: Das Gehirn hat offenbar eine ungeheure Neigung, alles, was an Informationen reinkommt, sofort damit abzugleichen, was das eigene Glaubenssystem sagt und erwartet. Was ich ahnte - selektive Wahrnehmung: was stört, wird durchgewinkt. Nur geht die Hirnwindung noch weiter, so Al Seckel: Das Gehirn versuche, jede noch so widersprüchliche Information gleich so umzuwandeln und zu kartografieren, dass sie ins Denksystem passe. Mehr noch: dass sie das eigene Weltbild sogar unterstütze - selbst wenn sie falsch ist.
Als ich am nächsten Tag einen deutschen Wirtschaftsvertreter treffe, kommen wir, was sonst, auf die Griechen. Worauf der Mann meint, dass die halt noch nie richtig arbeiten wollten. Was ich gleich datenkundig widerlege, indem ich aufzähle: dass der Grieche weniger Feiertage habe, mehr Stunden arbeite und so weiter.

Teil 2: Das Hirn selektiert also - was sind die Folgen?

  • Aus der FTD vom 16.12.2011
    © 2011 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 18.12.2011 10:14:02 Uhr   Psychologe: Fricke in der Krise

    Wer so eine Kolumne wie diese schreibt, der befindet sich offenbar in einer Art Sinnkrise. Herr Fricke gehört sicherlich nicht zu den stärksten Kolumnisten seines Faches und konnte gerade in den zurückliegenden Monaten nicht überzeugen, aber zumindest mit der einen oder anderen seiner Positionen liegt er richtig.

    Vielleicht ist nach 500 Kolumnen auch die Luft etwas raus. Aber bald beginnt ein neues Jahr und da hat jeder ja gute Vorsätze. Herr Fricke sollte das eine oder andere überdenken und sehen, ob er einen überzeugenden Neustart schafft.

    Wenn nicht, dann geht es ihm wie im Song von Klaus Lage: "Tausend Mal berührt, tausend Mal ist nichts passiert, tausend und eine Nacht und es hat zooom gemacht".
    Bei Herrn Fricke könnte man im übertragenen Sinne etwas übertrieben formulieren: "Fünfhundert Mal probiert, fünfhudertmal ist nichts passiert....". Aber vielleicht gelingt Herrn Fricke mit dem neuen Jahr eine Wende und vielleicht macht es dann "zooom" bei den Lesern.
    Ich selbst werde allerdings nicht mehr zum Fan des Herrn Fricke werden und werde seine Kolumnen allenfalls nebenbei überfliegen, wenn ich regelmäßig die FTD-Online lese.

  • 17.12.2011 16:11:00 Uhr   Alfred: Jeder lebt in seiner eigenen Realität
  • 17.12.2011 11:51:04 Uhr   Daniel Petters: Besser als die meisten der bisherigen 499
  • 17.12.2011 09:34:20 Uhr   Fritz: Der Filter wirkt auch bei Ihnen
  • 17.12.2011 08:33:16 Uhr   Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff: Experimentelle Evidenz zu Griechenland
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