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Merken   Drucken   04.01.2012, 21:02 Schriftgröße: AAA

Wulffs Kreditaffäre: Kleiner Mann, was nun?

Leitartikel Im Interview mit ARD und ZDF räumt Christian Wulff zwar Fehler ein, doch wirkliche Einsicht und echte Reue fehlen. Stattdessen macht sich der Bundespräsident ganz klein. Die Affäre ist damit noch nicht ausgestanden.
Die Botschaft, mit der sich Christian Wulff am Mittwoch zu Wort gemeldet hat, lässt sich wie folgt zusammenfassen: "Ich bin klein, mein Herz ist rein." Er sieht sich als "Opfer", als "hilflos", als jemanden, der mit dem schnellen Wechsel von Hannover nach Berlin überfordert gewesen ist. Der Bundespräsident hat in dem Interview mit ARD und ZDF Fehler eingeräumt und sich vor allem für den Anruf bei der "Bild"-Zeitung entschuldigt. Einen Rücktritt aber lehnte er ab: "Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe."
Kreditaffäre Gnadengesuch bei ARD und ZDF
Die Botschaft offenbart, dass der Bundespräsident nicht verstanden hat, worum es seit knapp vier Wochen geht. Besonders frappant zeigte sich dieses fehlende Verständnis in einem Satz, mit dem er auf die Vorwürfe zu seiner "Salamitaktik" bei der Aufklärung antwortete. Zu den 400 Fragen von Journalisten, die er bekommen hat, sagte er: Wenn man sie scheibchenweise bekomme, dann könne man sie auch nur scheibchenweise beantworten.
Das ist eine fast schon nietzschehafte Umwertung der Vorgänge: Nur Wulff kennt die ganze Wahrheit, doch da er nur scheibchenweise damit rausrückt, können Journalisten auch nur scheibchenweise fragen!
Der Bundespräsident wählte als Verteidigung die Guttenberg-Variante: die Verbrüderung mit dem Volk. Eine böse Hauptstadtpresse macht demnach Jagd auf den, der im Volk beliebt ist. Das Volk aber hält weiter zu seinem Liebling.
Das darf man Wulff nicht durchgehen lassen. Natürlich darf ein Bundespräsident Fehler machen. Natürlich ist ein Bundespräsident auch nur ein Mensch. Und natürlich war es für Wulff schwer, ja fast unmöglich, nach den Enthüllungen der vergangenen Tage Worte zu finden, die die Affäre auf einen Schlag beenden.
Doch in seiner Erklärung fehlte das, was auch in dem Interview vermisst wurde, mit dem sich Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgemeldet hat: wirkliche Einsicht und aufrichtige Reue. Stattdessen machte sich Wulff am Mittwoch nur ganz klein - und versteckte sich hinter dem Rücken des Volkes. Das ist eines Bundespräsidenten unwürdig.
Die Affäre ist mit diesem Fernsehinterview nicht ausgestanden und vorbei. Der Bundespräsident hat die moralische Autorität nicht zurückgewonnen, die ihn befähigen würde, sein Amt auszuüben.
  • Aus der FTD vom 05.01.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 05.01.2012 09:50:24 Uhr   Gordon Müller-Eschenbach: Offenbarungseid der Politik – was macht die...

    Ja leider zeigt das Interview mit Wulff wieder, wo inzwischen die politische Landschaft angekommen ist: Machtpolitisches Taktieren als Basi für die Berufung höchster Ämter, dann wird in Netzwerken gearbeitet (und gedankt) und bei der Gefahr von Aufdeckung von ethischen Fragwürdigkeiten möglichst viel Nebelkerzen gezündet, abgelenkt, taktiert und v.a. wenn überhaupt per Salami-Taktik informiert....der Bürger hat ja ein Kurzzeitgedächtnis und wird die Zusammenhänge schon nicht erkennen.... und jetzt: Der Bundespräsident als "letzter ethische Anker" hat den Bodenkontakt verloren, hat sogar wie es gerade aussieht noch in der „Beichte im TV“ falsche Aussagen gemacht und wird so von der Opposition und Regierung haltlos über den Grund gezogen.
    Es wird Zeit, dass die Wirtschaft sich besinnt und ihre Kraft und Stärke als wesentliche Stütze der Gesellschaft in Deutschland einsetzt: Jetzt muss klar Position eingenommen werden für Erneuerung, z.B. für eine Besetzung der politischen Spitzenämter durch professionelle Kräfte und nicht Partiefunktionäre, die in ihren Fronzeiten gelernt haben: Ducken, Drucksen, Spielen, Taktieren und Danken ohne geradlinige Transparenz.

  • 05.01.2012 09:40:33 Uhr   Dr. Maturin: Man war zu vorschnell
  • 05.01.2012 09:21:01 Uhr   cand. Buprä: Praktikantenjob gesucht
  • 05.01.2012 08:54:45 Uhr   M. Schwörer: Glaubwürdigkeit
  • 05.01.2012 08:08:25 Uhr   St. Koch: Und so schön unvoreingenommen...
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