Dass alles, was die Damenwelt im streng islamischen Königreich unter der Abaya trägt, nur noch Frauensache ist, dürfte ganz im Sinne der religiösen Sittenwächter sein - müsste man meinen. Doch der konservative Klerus in dem Wüstenstaat läuft Sturm gegen das neue Gesetz. Denn wenn Männer nicht mehr hinter dem Tresen der über 7000 Damenwäsche-Geschäfte stehen, werden es - Gott bewahre! - Frauen sein. 28.000 haben sich nach Angaben des saudischen Arbeitsministeriums bereits beworben. Über 40.000 Arbeitsplätze exklusiv für Frauen könnten nun entstehen.
Großmufti Abdel Asis al-Scheikh ist deshalb ebenso wie andere Top-Kleriker außer sich. Tausende Frauen wären damit nicht nur fern des heimischen Herds und der häuslichen Kontrolle. Es könnte auch sein, dass ein Mann in ein solches Geschäft kommt und mit einer Verkäuferin über Unterwäsche zu sprechen genötigt ist. Zwar müssen Unterwäschegrößen und -modelle auch jetzt schon geschlechterübergreifend besprochen werden, aber es stört die Geistlichen trotzdem. Frauen anzustellen sei "ein Verbrechen und ist nach der Scharia verboten", wettert der Großmufti.
Tatsächlich ist der Lingerie-Streit Teil eines größeren Konflikts in Saudi-Arabien. Angesichts der Aufstände in der arabischen Welt, der Forderungen nach Freiheit und Demokratie versucht König Abdullah einen etwas liberaleren Weg zu gehen. Noch gibt es zwar keine größeren Demonstrationen in der absoluten Monarchie. Doch vorbeugend hat der König schon vergangenes Jahr über 130 Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt, um finanziell schlechter Gestellte und Arbeitslose mit Sozialleistungen und günstigen Krediten ruhigzustellen.
Da es besonders in der weiblichen Bevölkerung brodelt, hat er außerdem im September überraschend bekannt gegeben, dass Frauen künftig an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Die Stadträte haben zwar nicht viel zu sagen. Aber dennoch ist es eine Sensation in einem Land, wo Frauen nicht einmal Auto fahren und nur mir Genehmigung ihres Vormunds reisen oder arbeiten dürfen.