Mythos alte Meister-Geigen: Stradivari klingen schlechter als ihr Ruf

Die vom italienischen Meister gefertigten Geigen gelten als wohlklingendste Instrumente ihrer Art. Ein Blindversuch mit alten und neuen Geigen nährt einen bösen Verdacht: Der gute Ruf der Stradivari basiert offenbar auf einem Mythos.

Das ist einmal ein überraschendes Ergebnis: Profimusiker beurteilen eine Stradivari in einem Vergleich als minderwertigstes Instrument - zumindest, wenn sie nicht wissen, dass sie gerade auf ihr spielen. Im Blindversuch bevorzugten sie statt des Instruments aus der Hand des legendären Gegenbauers neuere Modelle, berichten Wissenschaftler in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften. Instrumente italienischer Meister wie Antonio Stradivari oder Guarneri del Gesù schnitten in der Bewertung der Musiker schlecht ab: Die Musiker konnten anhand des Klangs nicht zwischen alten und neuen Instrumenten unterscheiden.

Musiker konnten eine Stradivari beim blind Spielen nicht von gewöhnlichen Geigen unterscheiden

Viele Musiker behaupten, am Klang des Instruments sofort erkennen zu können, ob es sich um eine neue oder eine alte Geige handelt. Es gibt zahlreiche Vermutungen zur vermeintlich überragenden Qualität alter Geigen, die von der Verwendung eines speziellen Lacks bis zu den Auswirkungen der kleinen Eiszeit auf das Holz reichen.

Um diese Aussage zu überprüfen, ließen Claudia Fritz und ihre Mitarbeiter von der Universität Paris 21 erfahrene Violinisten auf insgesamt sechs Geigen spielen - in einem abgedunkelten Hotelzimmer und mit Schweißerbrillen vor den Augen. Drei der Geigen waren wenige Tage bis Jahre alt, drei waren alte Meister-Geigen: zwei Stradivari- und eine Guarneri-Geige.

Neue Geigen bevorzugt Die Musiker sollten die Qualität der Geigen nach typischen Kategorien beurteilen, etwa nach Tonfarbe und Spielbarkeit. Sie sollten auch entscheiden, welche der Geigen sie am ehesten und welche gar nicht mit nach Hause nehmen würden. Zudem sollten sie beurteilen, welche von jeweils zwei nacheinander gespielten Geigen die bessere ist.

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In den Tests zeigte sich, dass die Musiker die Geigen im Grunde nicht auseinanderhalten, also die alten nicht von den neuen unterscheiden konnten. Die neuen Instrumente schnitten sogar besser ab. So entschieden sich nur acht der 21 Musiker, eine alte Geige mit nach Hause zu nehmen, 13 wählten eine neue. Eine der beiden Stradivaris wurde in beiden Tests gar als das schlechteste Instrument bewertet.

Statt nach dem "Geheimnis" der italienischen Geigenbauer zu suchen, sollte in Zukunft besser untersucht werden, wie Musiker überhaupt Instrumente bewerten, schreiben die Wissenschaftler. Es solle geprüft werden, auf welche Merkmale sie besonders Wert legen und wie diese mit messbaren Eigenschaften des Instruments zusammenhängen - egal, ob alt oder neu.

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