FTD.de » Politik » International » Jack Lew - Der Brückenbauer

Merken   Drucken   10.01.2012, 20:25 Schriftgröße: AAA

Kopf des Tages: Jack Lew - Der Brückenbauer

Barack Obamas bisheriger Budgetdirektor ist neuer Stabschef im Weißen Haus. Ihm muss gelingen, woran sein Vorgänger scheiterte: die Verbindungen in den Kongress pflegen. von Sabine Muscat  Washington
Jack Lew steht für eine Mischung, die in Washington selten geworden ist. Der Mann, den US-Präsident Barack Obama am Montagabend zu seinem neuen Stabschef ernannt hat, vereinigt zwei Eigenschaften, die in der Natur der amerikanischen Politik eigentlich nicht vorkommen: Er gilt als Demokrat links der Mitte - und genießt zugleich den Respekt der Opposition. Der Präsident hofft, dass es diese Mischung ist, die das Weiße Haus im Wahljahr stabilisieren kann.
Lews Vorgänger William Daley hatte eher das Gegenteil bewirkt. Obama hatte den Geschäftsmann und Politiker aus Chicago vor einem Jahr mit dem Posten betraut. Der frühere JP-Morgan-Manager und Handelsminister sollte die zerrütteten Beziehungen des Weißen Hauses zur Wirtschaft reparieren. Doch Daley konnte nicht einmal zur demokratischen Kongressführung einen guten Draht herstellen. Während der Haushaltskämpfe im letzten Jahr erwies er sich als glückloser Vermittler. Nach Medienberichten soll er sich bei seinen Mitarbeitern im Weißen Haus zudem durch seinen hierarchischen Führungsstil unbeliebt gemacht haben.
Jack Lew, Barack Obamas neuer Stabschef   Jack Lew, Barack Obamas neuer Stabschef
Jack Lew trauen Kommentatoren die Rolle des Brückenbauers eher zu. Er ist er das Geschöpf einer Zeit, in der das Klima zwischen Demokraten und Republikanern in Washington nicht so vergiftet war wie heute. Als frischgebackener Jurist arbeitete der heute 56-Jährige als Berater für den früheren demokratischen Sprecher des Repräsentantenhauses Tip O'Neill. In den 1970er- und 1980er-Jahren war es noch üblich, dass die Fraktionsführer beider Parteien persönliche Beziehungen pflegten, aus denen mancher politische Kompromiss entsprang.
Das änderte sich in den 1990ern. Die Republikaner im Kongress lieferten sich erbitterte Gefechte mit der Demokratischen Partei von Präsident Bill Clinton. Wie erbittert, erlebte Lew als Clintons Berater für das besonders umstrittene Projekt einer Gesundheitsreform. Erst in Clintons zweiter Amtszeit konnte Lew wieder das tun, was ihm am besten liegt: Als Vizeleiter des Budgetbüros im Weißen Haus half er, den Kompromiss auszuhandeln, der 1997 zu einer Sanierung des Haushalts führte. 1998 machte Clinton ihn zum Budgetdirektor.
Auf diesen Posten holte Obama ihn 2010 zurück, nachdem sein erster Budgedirektor Peter Orszag zurückgetreten war. Lews Ernennung war eine der wenigen Personalentscheidungen der Obama-Regierung, die nicht zu Streit im Kongress führte. Der Senat bestätigte ihn einstimmig.
Lew mag politisch links von Daley stehen. Doch sein Geld hat er wie jener an der Wall Street verdient. Von 2006 bis 2009 erhielt er als Manager bei der Citigroup rund 1 Mio. Dollar im Jahr. 2008 verantwortete er nach einem Bericht der Huffington Post das Tagesgeschäft einer Abteilung, die ihr Geld mit Transaktionen machte, die die Obama-Regierung nach der Finanzkrise durch strengere Regulierung zu unterbinden suchte. Unter anderem steckte die Abteilung Geld in einen Hedge-Fonds, der auf den Kollaps des amerikanischen Marktes für Immobilienkredite wettete. Vor einem Senatsausschuss sagte Lew 2010, er glaube nicht, dass die Deregulierung Auslöser der Finanzkrise gewesen sei.
In einen Wahlkampf, in dem Obama seinen mutmaßlichen Gegner Mitt Romney, einst Private-Equity-Investor, als skrupellosen Finanzhai porträtieren will, wird der Präsident Lew also nicht schicken können. Dazu wäre der auch nicht der Typ. Der orthodoxe Jude, der den Sabbat streng einhält und die Wochenenden am liebsten mit seiner Familie in New York verbringt, gilt als nüchtern und privat zurückgezogen. Für Obamas Wahlkampf sind andere wichtig: sein Ex-Kampagnenmanager David Plouffe, der im Weißen Haus als Berater sitzt, sowie eine schlagkräftige Wahlkampforganisation in seiner Heimatstadt Chicago. Nach innen aber wird vor allem einer wirken: Jack Lew.
  • Aus der FTD vom 11.01.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
Jetzt bewerten
Bookmarken   Drucken   Senden   Leserbrief schreiben   Fehler melden  

Den Parameter für die jeweilige Rubrik anpassen: @videoList
  • Ungarn: Jetzt bloß nicht schwach werden

    Die EU nutzt Ungarns Finanzkrise, um Viktor Orban endlich die Zähne zu zeigen: Wenn er nicht spurt, gibts kein Geld - und obendrein Vertragsstrafen. Jetzt darf sie sich nur nicht wieder mit Versprechen abspeisen lassen. mehr

  •  
  • blättern
Tweets von FTD.de Politik-News

Weitere Tweets von FTD.de

Newsletter:   Newsletter: Eilmeldungen Politik

Ob Regierungsauflösung oder Umfragehoch für die Linkspartei - erfahren Sie wichtige Politik-Nachrichten, sobald sie uns erreichen.

Beispiel   |   Datenschutz
 



DEUTSCHLAND

mehr Deutschland

EUROPA

mehr Europa

INTERNATIONAL

mehr International

KONJUNKTUR

mehr Konjunktur

 
© 1999 - 2012 Financial Times Deutschland
Aktuelle Nachrichten über Wirtschaft, Politik, Finanzen und Börsen

Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!

Über FTD.de | Impressum | Datenschutz | Disclaimer | Mediadaten | E-Mail an FTD | Sitemap | Hilfe | Archiv
Mit ICRA gekennzeichnet

VW | Siemens | Apple | Gold | MBA | Business English | IQ-Test | Gehaltsrechner | Festgeld-Vergleich | Erbschaftssteuer
G+J Glossar
Partner-Angebote