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Merken   Drucken   11.01.2012, 08:54 Schriftgröße: AAA

Syrien: Realitätsverweigerung

Leitartikel Hunderttausende Landsleute demonstrieren gegen Baschar al-Assad - doch er stilisiert sich noch immer zum verhinderten Reformer. Wenn Assad gestoppt werden soll, muss der Westen Syriens Verbündete in die Pflicht nehmen.
Nein, es gibt keine Aufständischen in Syrien. Und keinen Schießbefehl des Regimes. Und deshalb auch nicht die von der Uno geschätzten 5000 toten Zivilisten im Land. Kann es auch nicht geben. Präsident Baschar al-Assad ist nämlich ein Reformer, der leider, leider in den vergangenen Monaten gezwungen war, die syrische Heimat gegen Terroristen zu verteidigen. Die allesamt vom Ausland gesteuert werden. Doch die Reformen werden weitergehen, und bald wird das Volk über eine noch bessere Verfassung für das Land abstimmen dürfen.
Baschar Al-Assad   Baschar Al-Assad
Okay, und jetzt wieder in die Realität: Da hat Machthaber Assad am Dienstag eine der verlogensten Reden seiner Amtszeit gehalten - siehe oben. Während Hunderttausende seiner Landsleute gegen seine Herrschaft rebellieren und jeden Tag Menschen im Widerstand gegen das Regime sterben, inszeniert sich der Diktator von Damaskus als verhinderten Reformer, der eine ausländische Verschwörung abwehren muss.
Das ist erst mal nicht überraschend. Es gehört zur Grundausstattung von Diktatoren, selbst angesichts der offensichtlichen Rebellion der eigenen Bevölkerung erstens die Wirklichkeit auszublenden, zweitens dem Ausland die Schuld zu geben und sich drittens siegesgewiss zu zeigen. Wir erinnern uns an andere arabische Potentaten, die im vergangenen Jahr ihre Abschiedsvorstellungen gegeben haben.
Doch Assad ist schlauer als Gaddafi, sein Machtzirkel scheint geschlossener, als es der um Mubarak war. Und das syrische Regime muss nicht fürchten, ernsthaft auf den Schirm westlicher Militärs zu kommen. Die "libysche Lösung" wird es in Syrien nicht geben, der Westen wird weder eine Flugverbots- noch eine sichere Pufferzone für die Opposition einrichten. Die Gefahr eines unkontrollierbaren Flächenbrands in der Region bei einer ausländischen Militärintervention ist schlicht zu groß.
Trotzdem sollte sich das Assad-Regime nicht zu sicher fühlen. Sein einzig verbliebener Verbündeter in der Region, der Iran, ist selbst geächtet. Und das relative Wohlwollen der Uno-Vetomacht Russland gegenüber dem syrischen Regime ist nicht auf Dauer garantiert. Genau hier sollte deshalb der Westen auch ansetzen, um das Morden in Syrien zu stoppen: Russland muss in die Pflicht genommen werden, um Assad und seinen Schergen die Tür zu weisen. Das kann auch eine Fluchttür sein, möglicherweise in Form eines russischen Exilangebots für den Diktator von Damaskus.
In einer Hinsicht lag Assad am Dienstag übrigens nicht ganz falsch: Die Arabische Liga ist wahrscheinlich die am wenigsten geeignete Organisation, um in Syrien die Demokratie zu verteidigen. "Es ist, als ob dir ein Arzt mit einer Zigarette in der Hand sagt, du sollst nicht rauchen." Da hat er leider recht.
  • Aus der FTD vom 11.01.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 12.01.2012 09:22:18 Uhr   FreeSyria: @Richard

    Doch, das meiste ist die Wahrheit. Das einzige was spekuliert wird ist wie Amerika, Frankreich usw. eingreifen werden.

  • 11.01.2012 21:22:12 Uhr   Richard: Berichterstattung Syrien
  • 11.01.2012 20:56:08 Uhr   Alia: TOBIAS RÜGER: Keine Illusionen, bitte!
  • 11.01.2012 12:46:19 Uhr   TOBIAS RÜGER: Keine Illusionen, bitte!
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