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20.01.2012, 08:00
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Plädoyer für den Zentralstaat:
Risiken des Separatismus in Europa zu groß
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2012 FTD.de
Kommentar
Regionalbewegungen haben Zulauf. Auch die Schotten streben nach Unabhängigkeit. Doch die vermeintlichen Vorteile erweisen sich in der Not als trügerisch. Gerade in der Krise helfen vor allem starke Zentralstaaten.
von Tony Barber
Europas Regionalbewegungen und Separatisten können nicht genug bekommen vom Mittelalter. Italiens Lega Nord beispielsweise lässt sich von den Gemeinden inspirieren, die 1176 den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa besiegten. Das Thema Albigenserkreuzzug bringt in Südfrankreich noch heute das Blut echter Okzitanen zum Kochen, und wohl jedes schottische Schulkind hat von der Spinne gehört, deren Beharrlichkeit Robert the Bruce den Mut verlieh, in die Schlacht zu ziehen und 1314 die Engländer bei Bannockburn zu besiegen.
Die Begeisterung der modernen europäischen Regionalbewegungen für das Mittelalter ist verständlich. Aragon, Burgund, Wales - sie alle waren damals zuletzt (mehr oder weniger) unabhängig. Aber kann Nostalgie im Hier und Jetzt eine Grundlage für Unabhängigkeit sein?
Alex Salmond (r.) strebt nach Unabhängigkeit von Premier Cameron. Foto: Sally Stimson/MOD/HO/Crown
Alex Salmond scheint dieser Ansicht zu sein. Der Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei SNP enthüllte vergangene Woche, dass er im Herbst 2014 - kurz nach dem 700. Jahrestag der Schlacht von Bannockburn - die Schotten über ihre Zukunft abstimmen lassen will.
Als die britische Regierung Schottland 1998 ein gewisses Maß an Autonomie zugestand, ging dies mit einem Wahlsystem einher, das dafür sorgen sollte, dass keine politische Partei - und erst recht keine, die sich die Unabhängigkeit Schottlands auf die Fahnen geschrieben hat - mit absoluter Mehrheit in Edinburgh regieren kann.
Doch genau das gelang Salmond vergangenen Mai. Acht Monate später steht die SNP besser denn je in den Meinungsumfragen da, die Zustimmung für seine Partei liegt bei beachtlichen 51 Prozent.
Graffiti auf einem Hinweisschild in flämischer und französischer Sprache in Brüssel
Trends zu mehr Regionalität lassen sich auch andernorts in Westeuropa beobachten. Aus den Wahlen in Belgien 2010 ging die Neu-Flämische Allianz von Bart de Wever als großer Sieger hervor, eine Partei, die für die Unabhängigkeit von Flandern eintritt.
Es dauerte unglaubliche 18 Monate, bis sich Belgiens durch eine Sprachkluft getrennte Politiker schließlich doch noch auf eine Regierungskoalition einigen konnten. Für Belgien, ohnehin schon Europas am stärksten dezentralisiertes Land, brachte der Kompromiss eine weitere Verschiebung der Macht hin zu den Regionen mit sich.
Teil 2: Plädoyer für den Zentralstaat
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