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29.02.2012, 14:49
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Euro-Krise:
Mit dem Sarko-Trade zur Draghi-Blase
Kommentar
Der zweite Drei-Jahres-Tender der Europäischen Zentralbank wird dem Patienten Europa weiter auf die Beine helfen. Doch die Nebenwirkungen der Kur sind enorm: An den Finanzmärkten droht eine Blase.
von Stefan Schaaf
Was für ein absurdes Schauspiel im Krankenhaus Europa: Auf der Intensivstation kämpft Griechenland ums Überleben in der
Euro -Zone. Zugleich wird die angeschlagene Finanzbranche mit einer starken Dosis billiger Notenbank-Liquidität kuriert. Immerhin sind Italien und Spanien bis auf weiteres zur Reha entlassen.
Die Lage ist also zweifelsohne immer noch ernst, aber was passiert auf den Krankenhausfluren: Die Beobachter feiern eine Party, denn die Krankenkasse geht mit dem Füllhorn herum und verteilt Medizin auch an diejenigen, die keine benötigen. Übertragen auf die Welt der Finanzmärkte: Die Investoren stürzen sich mit dem billigen EZB-Geld auf risikoreiche Anlageklassen wie Aktien, als gäbe es keine Staatsschuldenkrise in Europa.
Mario Draghi
Das äußert sich deutlich am Aktienmarkt, wo der
DAX seit Jahresbeginn schon 17 Prozent gewonnen hat. Der Grund dafür ist Überschussliquidität, für die Investoren Anlagemöglichkeiten suchen. Und von der Liquidität gibt es ab sofort noch mehr. Die Europäische Zentralbank (EZB) stellt den Banken brutto 529,5 Mrd für drei Jahre für einen Leitzins von aktuell einem Prozent zur Verfügung. Da es zugleich Rückflüsse gibt, fließen 310 Mrd. Euro frisch ins System. Dies wird die Kurse weiter steigen lassen, auch wenn die Märkte heute zunächst kaum reagieren.
Der Grund dafür ist, dass das Tendervolumen in etwa die Erwartungen traf, für die sich die Marktteilnehmer positioniert hatten. Dabei zeigt die Brutto-Summe eine gesunde Ausgewogenheit: Hätten sich die Banken deutlich mehr geliehen, wäre dies entweder ein Ausdruck extremer Schwierigkeiten im europäischen Bankensektor oder aber ein Zeichen für blinde Risikospekulation gewesen. In beiden Fällen hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Hätten die Banken sich aber deutlich weniger als jene halbe Billion Euro geliehen, so wäre das eigentliche Ziel der EZB möglicherweise nicht erreicht worden: das Überleben der Euro-Zone.
Um es in Erinnerung zu rufen: Die EZB will nicht die Aktienkurse hochtreiben, sie will die Banken und damit den Euro retten. Bislang ging diese Kalkulation von EZB-Boss Mario Draghi auf. Dies zeigt sich an zwei Entwicklungen: Weil die Banken offenbar das billige EZB-Geld auch in Staatsanleihen stecken, steigen deren Kurse wieder. Daraufhin fallen die Renditen und damit die Refinanzierungskosten der Krisenländer.
Das verschafft ihnen Luft. Händler nennen dies in Anlehnung an eine entsprechende Aufforderung des französischen Präsidenten
Nicolas Sarkozy auch Sarko-Trade. Aber auch am Interbankenmarkt gibt es erste Zeichen der Entspannung. Gemessen am Referenzzinsatz Euribor leihen sich die Banken für drei Monate gegenseitig wieder Geld für unter einem Prozent und damit günstiger als sie es von der EZB bekommen. Mario Draghi ist ein Fuchs, der Europa vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt hat. Die Liquiditätsschwemme war unausweichlich.
Teil 2: Mario, wie hältst Du es mit der Geldwertstabilität?
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FTD.de, 29.02.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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