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28.02.2012, 16:39
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Städtetourismus:
Berliner Wohnungen werden Partyhotels
Eine Wohnung in der Großstadt nur tageweise zu vermieten bringt den Eigentümern hohe Einnahmen. Und den Nachbarn Lärm und Dreck. Hotellobby und Anwohner wehren sich.
von Julian Mieth
Daniel Dagan hat nichts gegen Touristen - auch nicht in seiner Nachbarschaft. "Es ist doch wunderbar, wenn Menschen aus aller Welt in die Stadt kommen", sagt der Anwohner aus der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte. Dies gelte jedoch nur, solange sich die Besucher benehmen. Das ist genau das Problem: Zunehmend werden Berliner Wohnungen in Feriendomizile umgewandelt. Und die meist jungen Zwischenmieter kommen zum Feiern. Das Ergebnis sind nächtlicher Lärm und Müllberge im Hausflur. "Ich kann wegen des ganzen Ärgers schon nicht mehr schlafen", sagt Dagan. Ein Einzelfall?
Der Berlin-Tourismus boomt. Mittlerweile 12.000 Ferienwohnungen mit 112.000 Betten soll es in der Stadt geben, schätzt die Berliner Mietergemeinschaft. Für Vermieter und Besucher aus dem Ausland ist das ein gutes Geschäft: Die Kurzzeit-Berliner zahlen deutlich mehr als feste Mieter, aber weniger als für ein reguläres Hotelzimmer.
Das ärgert den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), weil der Branche Einnahmen verloren gehen. Darunter zu leiden haben aber vor allem die Bewohner der umfunktionierten Mietshäuser. Nach einer Umfrage geben 95 Prozent von ihnen an, negative Erfahrungen gemacht zu haben. Ähnliche Probleme gibt es längst auch in anderen deutschen Großstädten wie Hamburg und München.
Lange Zeit hat Dagan gedacht, dass das Problem mit den unliebsamen Nachbarn nachlassen würde. "Stattdessen wurden immer mehr Wohnungen für Touristen freigegeben", sagt er. Von rund 930 Wohnungen etwa an der Wilhelmstraße würde ein Drittel als Ferienapartments genutzt - Reinigung und Wäscheservice inklusive. "Mittlerweile ist das kein Wohnhaus mehr, sondern ein Hotelbetrieb", sagt Dagan zu der Anlage, in der er wohnt. Eine andere Mieterin klagt: "Hausgemeinschaft ist hier zum Fremdwort geworden."
Weil die Hausverwaltung auf Beschwerden nicht reagierte, minderte Dagan wie auch andere Anwohner die Miete. In Dagans Fall kündigte die Hausverwaltung die Wohnung und verklagte ihn. Das Verfahren ging bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dort steht an diesem Mittwoch ein Urteil an. Sowohl Geschäftsführung als auch Pressesprecher der Wohnungseigentümer waren auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Politik und Verwaltung haben das Problem mit den hotelähnlichen Angeboten zwar erkannt. Schon 2010 änderte der Senat die Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen. Auflagen für den Brandschutz und die Rettungswege wurden strenger. Für Apartments mit mehr als zwölf Betten gelten die gleichen Vorschriften wie für Hotels. Nur eingehalten werden sie selten.
Teil 2: Hamburger Wohnraumschutzgesetz fehlt in Berlin
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dpa, 28.02.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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