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02.03.2012, 20:42
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Kolumne:
Thomas Fricke - Teuer, aber sexy
Jahrelang galt, dass nur niedrige Gehälter Arbeitsplätze sichern. Jetzt sind die Lohnkosten infolge der Krise gestiegen - und die Beschäftigung boomt. Ist etwa die Grundannahme falsch?
von Thomas Fricke
Thomas Fricke ist Chefökonom der FTD.
In der Theorie ist die Sache klar. Je niedriger für Unternehmen die Lohnlasten, desto mehr Jobs können sie bezahlen. Deshalb mussten die Deutschen jahrelang verzichten, weil die Gehälter vermeintlich zu hoch waren. Deshalb schien die Beschäftigung seitdem auch wieder zu steigen.
Der Haken dabei: Seit der Rezession 2009 sind die Kostenlasten gemessen am Umsatz wieder gestiegen - klammheimlich, aber eindrucksvoll. Und? Die Beschäftigung in Deutschland boomt trotzdem, selbst drei Jahre später noch und trotz zwischenzeitlichem Konjunktureinbruch. Gilt plötzlich: mehr Lohn, mehr Jobs? Oder sind die Lohnkosten am Ende gar nicht so wichtig, wie es uns die halbe Ökonomenschar jahrelang erklärt hat? Ein Aufklärungsversuch:
Erinnerungen an Christiansen
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Bis zur Krise 2009 schien die gelobte Gleichung irgendwie zu stimmen. Da fielen forcierte Lohnmäßigung und Beschäftigungsanstieg zumindest zeitlich zusammen. Von 2005 bis 2008 sanken die Lohnkosten deutscher Unternehmen je produzierter Einheit um enorme zehn Prozent, die Arbeitslosigkeit sank um eine Million. Bis zur Rezession 2009.
Da brachen plötzlich Nachfrage wie Produktion ein, und die Unternehmen entließen trotzdem kaum Leute - mit dem Resultat, dass die zitierten Lohnstückkosten pro Stunde um sage und schreibe 15 Prozent hochschnellten.
Dieser Anstieg ist seitdem korrigiert worden, aber nur teils. Was auch daran liegt, dass im neuen Aufschwung die Löhne an sich wieder stiegen, 2011 um effektiv 3,3 Prozent; das gab es lange nicht. Per saldo liegen die Stückkosten daher jetzt immer noch höher als zur Zeit der Rekordarbeitslosigkeit bis 2005.
Auf dem Rückzug
Schon klagen die Leute vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, dass Deutschland "keineswegs auf die Lohnbremse getreten" hat - klar, es stehen Tarifverhandlungen an. Unter dem Strich blieben die Lohnstückkosten im internationalen Vergleich seit 1999 konstant, die Konkurrenz habe insgesamt einen Vorteil von zwölf Prozent. Erinnert an Sabine Christiansens alte Dauerjammersendungen, als Griechenland noch Deutschland hieß.
Fragt sich dann aber, warum die Arbeitslosigkeit jetzt unter 2,8 Millionen liegt, die Beschäftigung seit Anfang 2010 um mehr als eine Million gestiegen ist und der Export endlos zu boomen scheint. Nach klassischer Lehre müsste so ein Kostenschock ja irgendwie negativ wirken.
Solche Schocks könnten erst mit Verspätung eintreten, wirft mancher Kardinal sicher nun hastig ein. Dann lägen schlechte Zeiten vor uns. Nur: Warum sollten Unternehmen lange warten, wenn sie heute so viele Möglichkeiten haben, Personal über Zeitarbeit und anderes anzupassen?
Teil 2: Mäßigung ist nebensächlich
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Aus der FTD vom 03.03.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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