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28.02.2012, 10:00
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Recht + Steuern:
Wie die Justiz Facebook nutzt
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2012 FTD.de/FTD
Die hiesigen Behörden wollen soziale Netzwerke als Beweismittel nutzen, doch die Grenzen des Erlaubten sind unklar. Anders in England: Dort verschicken Gerichte sogar amtliche Dokumente über Facebook.
von René Martens, Hamburg
Vorigen Donnerstag schließlich bot der Angeklagte an, seine Daten herauszurücken. So ganz freiwillig war die Entscheidung allerdings nicht. Sein Fall hatte zuvor für Aufsehen gesorgt, weil der zuständige Richter am Amtsgericht Reutlingen gedroht hatte, sich die nötigen Informationen anders zu besorgen - auf einem bislang einzigartigen Weg: Er hatte den Facebook-Account des Angeklagten beschlagnahmen lassen, weil der einem Einbrecher über das soziale Netzwerk entscheidende Tipps für den Einbruch gegeben haben soll.
Das ist in Deutschland zuvor noch nie vorgekommen. Dabei haben Polizei und Justiz die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke schon längst für ihre Arbeit entdeckt. Friedrich Haberstroh, Direktor des Reutlinger Amtsgerichts sagt, unter seinen eigenen Prozessen sei "fast keiner mehr, in dem nicht Facebook oder sonstige Plattformen erwähnt werden". Beispielsweise stoße er immer wieder auf Fälle, in denen Opfer über Facebook mit dem Täter bekannt sind. Verurteilungen habe er auch schon aufgrund von Chatnachrichten ausgesprochen, sagt Haberstroh.
Symbolfoto zum Internet-Netzwerk Facebook
Der Zugriff auf nicht öffentliche Facebook-Nachrichten ist mit der Beschlagnahme von Post zu vergleichen. Das Vorgehen des Reutlinger Amtsrichters sei deshalb rechtlich zulässig, sagt Christian Solmecke, Anwalt bei Wilde Beuger Solmecke (WBS). 2009 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass unter strengen Voraussetzungen die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails bei einem Provider zulässig sei (Az.: 2 BvR 902/06). Die meisten Experten sind sich darin einig, dass diese Regelung für elektronische Post auf die persönlichen Nachrichten bei Facebook anwendbar sei.
Darüber hinaus sind die rechtlichen Grenzen dessen, was erlaubt ist und was nicht, in Deutschland noch kaum ausgelotet. Diese Erfahrung musste auch die Kriminalpolizei Hannover machen. Sie hatte ihre Facebook-Seite seit einem Jahr auch dazu genutzt, nach Gewalttätern zu fahnden - indem sie etwa Bilder zeigte, die Überwachungskameras in U-Bahnhöfen eingefangen haben. Acht Fahndungserfolge habe man seit März 2011 erzielt, lobte Innenminister Uwe Schünemann. Doch dann musste sein Ministerium diese Form der Ermittlung doch wieder aussetzen: Der Landesdatenschutzbeauftragte hat das Pilotprojekt Ende Januar gestoppt. Die Fahndung via Facebook könne "schwerwiegende Folgen" für Personen mit sich bringen, die sich später im Prozess als unschuldig erweisen, sagte Sprecher Michael Knaps. Im Netz stünden sie ewig am Pranger.
Teil 2: Künftig sollen die Fahndungsaufrufe auf Polizeiserver geleitet werden
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Aus der FTD vom 28.02.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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