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Merken   Drucken   02.03.2012, 13:57 Schriftgröße: AAA

Gipfel: EU setzt auf das Prinzip Hoffnung

Kommentar Dieser EU-Gipfel war kein Krisengipfel. Das gibt der Union die Chance, über mittelfristige Konzepte nachzudenken. Ein Grundproblem der Sparpolitik bleibt aber ungeklärt. von Peter Ehrlich  Brüssel
Die Erleichterung war den Chefs der EU, von Kanzlerin Angela Merkel bis zu Ratspräsident Herman Van Rompuy, bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag anzumerken. Das Griechenland-Problem ist zwar noch nicht ganz vom Eis und die "milde Rezession" dieses Winters noch nicht vorbei, aber der Ausblick ist deutlich weniger stressig als etwa im Dezember. "Wir sind dabei, die Krise zu überwinden, freute sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Dafür hat vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) gesorgt, die die Sorge vor einem akuten Bankencrash mit Hunderten von Milliarden Euro gelöscht hat.
Dass die EZB mehr geschafft hat als die Staaten mit ihren Rettungsschirmen, ist ihnen nicht einmal peinlich. Aber sie haben nur Zeit gekauft. Darauf hat Angela Merkel deutlich hingewiesen. In den nächsten Jahren muss die EU wieder Wachstum erreichen, überall und nicht nur in Deutschland. Dazu sind Strukturreformen nötig, etwa flexiblere Arbeitsmärkte in vielen Staaten oder ein höheres Renteneintrittsalter.
Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel   Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel
Dazu müssen aber auch längst beschlossene Dinge wie der Energiebinnenmarkt umgesetzt werden, Forschungsausgaben erhöht und die digitalen Breitbandnetze ausgebaut werden. Das alles haben Gipfel in Brüssel schon Dutzende Male beschlossen. Aber die Umsetzung hapert, weil viele einzelne Staaten und die jeweiligen Lobbys sie verzögern und verhindern. Dass 27 Regierungschefs in zwei Stunden auch nur eines der einzelnen Themenfelder des Binnenmarktes gründlich beraten können, ist unrealistisch. Wenn es gut geht, treten die Chefs ihren Ministern mal auf die Füße, besser zu arbeiten. Aber auch Deutschland bietet da gerade nicht das beste Vorbild. Bei der Energieeffizienz war die Bundesregierung erst sprachlos und hat dann einen Kompromiss vorgelegt, der ein gutes und die Wirtschaft förderndes Effizienzprogramm eher verhindern wird.
Nach Ansicht der Kanzlerin hängt die Beruhigung an den Finanzmärkten auch damit zusammen, dass die Sparpolitik und die Strukturreformen jetzt glaubwürdiger sind als vor einem oder zwei Jahren. Um den festen Willen zu solider Haushaltspolitik zu unterstreichen, haben 25 der 27 Staaten den von Merkel vorgeschlagenen Fiskalpakt unterschrieben. Damit hat man sich allerdings ein neues Problem geschaffen: Man kommt aus dem Teufelskreis von Sparen und Rezession nicht heraus. Reden wir nicht von Griechenland, das sozusagen von unten neu aufgebaut werden muss. Aber ist es sinnvoll, dass Spanien und jetzt auch die Niederlande die Rezession durch zusätzliches Sparen verstärken? Merkel selbst sagt oft, alles sei eine Frage des Timings.
Zum Sparen gehört auch, es nicht zu übertreiben, zumindest solange man bei der Verschuldung noch einen gewissen Spielraum hat. Deutschland hat die nicht ganz unbegründete Angst, dass beim ersten Abweichen alle gleich wieder den Sparwillen vergessen. Aber die Sparpolitik zu diskreditieren, in dem man ein Land nach dem anderen ins Aus stößt, nutzt am Ende auch der deutschen Wirtschaft nicht. Außerdem sollte die Eurozone die Rettungsschirme vergrößern, um in Sachen Feuerkraft mit der EZB gleichzuziehen und den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Boot zu halten. Gerade weil sie hoffentlich nicht mehr gebraucht werden, sollten sie mächtig sein.
Sarkozy hat Recht, dass in der EU derzeit deutlich schneller entscheiden wird als vor der Krise. Hoffentlich bleibt es dabei. Das Prinzip Hoffnung allein reicht nicht, die Arbeit ist noch nicht vorbei.
  • Aus der FTD vom 02.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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