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Merken   Drucken   02.03.2012, 11:52 Schriftgröße: AAA

Bundesbank: Die Weidmann-Diät

Der Bundesbank-Chef sorgt sich wegen der Abhängigkeit der Institute vom billigen Notenbankgeld. Obergrenzen für die Kreditvergabe sind im Gespräch. FTD.de erklärt die komplexe Diskussion.
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Der Bundesbank-Chef sorgt sich wegen der Abhängigkeit der Institute vom billigen Notenbankgeld. Obergrenzen für die Kreditvergabe sind im Gespräch. FTD.de erklärt die komplexe Diskussion. von André Kühnlenz  und Doris Grass  Frankfurt
Die deutschen Währungshüter wollen die enorme Abhängigkeit der Banken im Euro-Raum vom günstigem Zentralbankgeld brechen. Die Bundesbank bestätigte am Donnerstag einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wonach Präsident Jens Weidmann einen Brief an Mario Draghi, den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), geschrieben hat. Darin soll Weidmann vor den wachsenden Risiken bei der Darlehensvergabe der nationalen Notenbanken an Geschäftsbanken gewarnt haben. Er habe auch die Forderung ins Spiel gebracht, wieder strengere Regeln für die Sicherheiten zu verhängen, die die Geldhäuser beibringen müssen.
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Schon lang fürchten Deutschlands Notenbanker, dass die unbeschränkte Kreditvergabe an die Institute die Risiken im Finanzsystem stark erhöht - besonders, nachdem zuletzt die Anforderungen an die Sicherheiten deutlich aufgeweicht worden waren. Weidmann hatte im EZB-Rat dagegen gestimmt, die Qualitätsstandards für Kredite, die seit dieser Woche als Sicherheiten dienen dürfen, zu weit zu lockern. Die Deutschen wollten, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit der Darlehen innerhalb eines Jahres höchstens bei 0,4 Prozent liegen darf - dies würde den Anforderungen entsprechen, die auch bei Wertpapieren gelten. Die anderen Länder hatten aber durchgesetzt, dass das Ausfallrisiko bei bis zu 1,5 Prozent liegen darf. Beobachter gehen davon aus, dass die Bundesbank darauf dringen wird, dass die EZB diese Aufweichung so schnell wie möglich wieder zurücknimmt.
Darüber hinaus dürfte sich die Bundesbank dafür einsetzen, dass den Geschäftsbanken eine Obergrenze für die Summe gesetzt wird, die sie sich insgesamt bei den Notenbanken leihen dürfen. Das soll verhindern, dass die Institute zu abhängig von Notenbankgeld werden. Allein in dieser Woche sind die Schulden der Euro-Geschäftsbanken unter dem Strich um rund 300 Mrd. Euro auf etwas weniger als 1000 Euro gestiegen - seit Ende Dezember ergibt sich ein Plus von mehr als 500 Mrd. Euro. Das meiste Geld dürfte zu den Banken der Krisenstaaten geflossen sein. Doch auch in der Bilanz der Bundesbank hinterlassen diese Zahlen ihre Spuren - in Milliarden an Schulden der EZB gegenüber der Bundesbank oder auch Forderungen der deutschen Notenbank gegenüber der EZB. Die Währungshüter nennen diese Positionen Target-2-Saldo. Vor gut einem Jahr hatte der Chef des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, als einer der Ersten öffentlich vor zu hohen Forderungen bei der Bundesbank gewarnt. Die FTD beschreibt, was dahintersteckt.
Der Begriff bezeichnet das Zahlungsverkehrssystem der europäischen Notenbanken. Über dieses System fließen alle Zahlungsströme zwischen Banken im Euro-Raum sowie zwischen deren Kunden - egal ob in einem Land oder grenzüberschreitend. Will etwa ein irischer Bauer einen Traktor in Deutschland kaufen, leitet seine Geschäftsbank den Kaufpreis über die irische und die deutsche Notenbank an die Bank des deutschen Exporteurs weiter. An der Schnittstelle sitzt die EZB, die die Zahlung abwickelt. Bei der Bundesbank entsteht dabei eine Forderung gegenüber der EZB, bei der Notenbank in Dublin eine Verbindlichkeit.
Vor der Finanzkrise hoben sich beide Position ungefähr auf, weil der Handel schlussendlich durch Darlehen deutscher Banken an irische Banken finanziert wurde. Denn fast alle Länder des Euro-Randes hatten sehr hohe Leistungsbilanzdefizite - importierten also deutlich mehr Waren und Dienstleistungen, als sie exportieren. In Deutschland war es genau andersherum, und die Banken legten die Ersparnisse der Bürger im Ausland an.
Dieser Ausgleich funktioniert seit Ausbruch der Finanzkrise allerdings nicht mehr. Denn Banken aus Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien wird kaum noch Geld von Instituten aus Deutschland geliehen. Sie müssen daher auf ihre nationalen Notenbanken ausweichen: Die Verbindlichkeiten gegenüber ihrer Notenbank wachsen dadurch, und deren Schulden wiederum steigen gegenüber der EZB. Umkehrt wachsen aber auch die Forderungen der Bundesbank, weil nunmehr der Ausgleich fehlt, den früher die Darlehen deutscher Banken an die Randstaaten ausübten. Die Bundesbank könnte auf den Forderungen sitzenbleiben, wenn die Euro-Zone zusammenbricht.
Die Target-Schulden des Euro-Systems, also der EZB und somit eigentlich der nationalen Notenbanken, bei der Bundesbank summierten sich Ende Januar 2012 auf 498 Mrd. Euro. Vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 waren es nur wenige Milliarden gewesen. Zweitgrößter Target-Gläubiger ist die niederländische Notenbank mit 140 Mrd. Euro. Umgekehrt schulden die griechische und irische Notenbank dem Euro-System jeweils mehr als 100 Mrd. Euro, Spanien und Italien sind es fast 200 Mrd. Euro. Das entspricht in etwa den Summen, die die Notenbanken ihren Geschäftsbanken ausgereicht haben.
Ifo-Chef Sinn möchte die Target-Salden begrenzen, um so die damit verbundenen Risiken zu mindern. Er sagt, dass die Peripheriestaaten sich darüber ihre Leistungsbilanzdefizite finanzieren lassen, ohne dass diese Ungleichgewichte ausgeglichen würden. Sinn möchte stattdessen den Druck auf die Krisenstaaten erhöhen, die sich stärker reformieren sollten. Dem Volkswirt schwebt dabei eine Art Obergrenze für die jeweiligen nationalen Euro-Notenbanken vor, die sie maximal an die Geschäftsbanken ausreichen dürfen. Allerdings könnten dann die Institute aus den Krisenländern über Zweigstellen etwa in Deutschland verstärkt Geld bei der Bundesbank abfragen. Da hiesige Banken kaum Liquidität von der Notenbank brauchen, bliebe hier noch genügend Spielraum. Zudem würden nationale Obergrenzen den einheitlichen Währungsraum mit freiem Kapitalverkehr untergraben. Daher dürfte sich die Bundesbank für Limits bei den Banken aussprechen.
  • FTD.de, 02.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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