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Merken   Drucken   02.03.2012, 22:05 Schriftgröße: AAA

Anstehende Präsidentenwahl: Russlands Machtzentrum im Ausnahmezustand

Nur wenige Tage vor der Wahl ist die Stimmung in Moskau angespannt. Die Opposition spricht schon jetzt von Wahlmanipulation - und kündigt für den Tag nach der Wahl eine Großdemonstration gegen Stimmfälschungen an.
© Bild: 2011 Getty Images/Stephen Exley
Nur wenige Tage vor der Wahl ist die Stimmung in Moskau angespannt. Die Opposition spricht schon jetzt von Wahlmanipulation - und kündigt für den Tag nach der Wahl eine Großdemonstration gegen Stimmfälschungen an. von Nils Kreimeier  Moskau
Als die Französin Marine vor den Zugang zum Moskauer Roten Platz kommt, reißt sie plötzlich die Augen auf. Doch nicht das weltberühmte Ensemble aus historischen Gebäuden versetzt die Touristin in Erstaunen. Rund um den Kreml und die umliegenden Plätze haben sich ganze Hundertschaften an Bereitschaftspolizisten versammelt. Martialisch aussehende Einsatzwagen sind aufgefahren, große Teile des Geländes können nur durch schmale Durchgänge betreten werden - der Rest ist mit Absperrungen eingezäunt worden.
Die Präsidentenwahl steht an in Russland - da gilt im Machtzentrum des Landes Ausnahmezustand. Das ist immer so, doch dieses Mal ist die Stimmung noch angespannter als bei den vergangenen Wahlen. Seit Dezember vergangenen Jahres gehen Oppositionsgruppen regelmäßig gegen Wladimir Putin auf die Straße - jenen Mann, der sich am Sonntag nach einem Intermezzo als Regierungschef wieder zum Präsidenten wählen lassen will.
Die Regierungsgegner haben für den Montag nach der Wahl erneut eine Großkundgebung angekündigt. Ihre Anführer gehen schon jetzt davon aus, dass die Wahl manipuliert wird - und wollen dagegen demonstrieren. "Es wird viel mehr gefälscht werden als bei der Dumawahl im Dezember", sagt Wladimir Milow, ein führender Oppositionspolitiker, der ein Zentrum für Wahlbeobachtung leitet. "Der Kampf wird direkt vor unseren Augen stattfinden." Kritiker wie Milow oder der populäre Blogger Alexej Nawalny glauben, dass die Behörden alles tun werden, um Putin einen zweiten Wahlgang zu ersparen. Eine Stichwahl gegen einen dann möglicherweise von der gesamten Opposition unterstützten Gegner wäre ein Novum für den starken Mann Russlands.
Wladimir Putin   Wladimir Putin
Nicht alle teilen die düsteren Prognosen der lautstarken Putin-Gegner. "Ich kann nicht verstehen, dass schon vor der Wahl eine Demonstration gegen Fälschungen angesetzt wird", sagt die Journalistin Marina Voskonjan. "Diese Haltung der Opposition hat etwas sehr Rechthaberisches. Es stimmt, dass viele Leute im Land unzufrieden sind. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass die Leute Putins Abgang wollen."
Tatsächlich hatte der amtierende Premier zuletzt in den Umfragen auch unabhängiger Institute zugelegt und dürfte danach die Hürde von 50 Prozent klar überspringen. Kremlgegner Milow allerdings hält diese Zahlen für unglaubwürdig: "Die Meinungsforscher haben auch vor der Parlamentswahl komplett falsch gelegen und viel zu gute Ergebnisse für die Regierungspartei vorhergesagt." Stattdessen verweist Milow auf jüngste Äußerungen Putins, in denen der Regierungschef den russischen Wahlbeobachtern vorwarf, sie könnten fabrizierte Beweise für Fälschungen vorlegen. "Putin ist sehr nervös. Er ist besser informiert als andere und weiß, dass es nicht reicht für eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang", sagt er.
In Kremlnähe dürfen die regierungstreuen Jugendlichen auflaufen
Immerhin ist ein möglicher Konflikt vorerst ausgeräumt worden. Die Oppositionsgruppen, ein buntes Gemisch aus Liberalen, Nationalisten, Ultralinken und Ökoaktivisten, hatten für den Montag auf einer Kundgebung im Zentrum Moskaus bestanden. Die Stadtverwaltung lehnte dies ab und bot einen weiter außerhalb liegenden Standort an. Am Ende einigte man sich auf den Puschkin-Platz - nicht gleich neben dem Kreml, aber nicht allzu weit davon entfernt. Auf dem Manegeplatz unweit der Kremlmauern dürfen stattdessen die regierungstreuen Jugendlichen von der Naschi-Gruppe auflaufen.
Die französische Touristin Marine hat sich nach dem Anblick der Polizeieinheiten erst einmal etwas verschreckt in ein Cafe geflüchtet. "Ich glaube, ich komme nach der Wahl wieder", sagt sie. "Bis dahin kann ich mir ja die Museen ansehen."
  • FTD.de, 02.03.2012
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