FTD.de » Politik » International » Brasiliens WM-Vertriebene

Merken   Drucken   09.03.2012, 16:48 Schriftgröße: AAA

Bauvorhaben: Brasiliens WM-Vertriebene

Die Pläne für die Fußball-WM 2014 sind in Verzug. Deshalb gibt die Regierung Gas - zu schnell für Hunderttausende. von Raniah Salloum, Porto Alegre
Wenn man Ana Maria Pellini fragt, wie der Stand der WM-Vorbereitungen ist, legt die elegante Beamtin mit Pagenschnitt und grünem Sommerkleid eine DVD ein. Zufrieden zeigt die WM-Beauftragte der Stadt Porto Alegre in dem dreieinhalbminütigen Zeichentrickfilm, wie sich ihre Stadt verändert: Neue Sozialwohnungen entstehen, neue Straßen, eine Kläranlage, ein schönerer Hafen, ein modernisierter Flughafen. Und am Ende wuseln glückliche Zeichentrickmännchen durchs Bild. "Die WM", sagt Pellini, "ist wirklich ein Geschenk für unsere Stadt."
Zusammen mit den Olympischen Spielen 2016 in Rio soll die WM 2014 Brasilien helfen, seine Infrastruktur auf das Niveau eines Industrielandes zu wuchten. Etwa 700 Mrd. Euro an Investitionen, so schätzt die brasilianische Kammer für Bauwesen, Sobratema, sollen in die marode Infrastruktur des Landes fließen. Ganze Städte wie Porto Alegre wollen Zentralregierung und Bundesstaaten umkrempeln. Doch bisher hat sich fast nichts getan. Und nun, warnen Kritiker, tut sich in letzter Minute zu viel zu schnell.
Das berühmte Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro wird erneuert   Das berühmte Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro wird erneuert
"Die WM wird als Vorwand benutzt, um die Stadtplanung ohne Studien und ohne Befragung der Bürger zu verändern", sagt Raquel Rolnik, die Uno-Sonderbeauftragte für adäquates Wohnen. Sie hat zusammen mit den Volkskomitees für die WM, einer Gruppe von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, davor gewarnt, dass für die Bauvorhaben zwischen 150.000 und 170.000 Menschen bereits umgesiedelt wurden oder noch umziehen müssen. Gemessen an Brasiliens Bevölkerungsgröße sind das schon chinesische Verhältnisse: Vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking mussten schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen umziehen. Staatliche Zahlen gibt es dazu nicht, denn die zuständigen Stadtverwaltungen geben diese ungern preis.
In Porto Alegre gibt man unumwunden zu, dass allein für den Ausbau des Flughafenzubringers eine ganze Siedlung mit rund 3500 Menschen weichen muss. Doch die WM-Beauftragte Pellini sieht darin kein Problem. "Bis Ende dieses Jahres ist das erledigt", sagt sie. Denn sie will jetzt, nur 22 Monate vor der WM, aufs Tempo drücken. Dass man die Betroffenen vorher befragen sollte, hält sie für unnötig. "Diese Familien wohnen jetzt in schäbigen Häusern. Von uns bekommen sie schönere. Warum sollten sie nicht umziehen wollen?"
Der Ausbau des Flughafenzubringers in Porto Alegre ist eines der Infrastrukturvorhaben, das mit dem Druck der WM nun plötzlich durchgepeitscht wird. Pellini erklärt: "Wir wollten die Straße schon vor 50 Jahren verbreitern, aber es wurde nie gemacht." Das Geld fehlte, und auch schreckte man davor zurück, eine ganze Siedlung plattzumachen. "Jetzt gibt uns die WM einen Push. Auf einmal geht alles ganz leicht."

Teil 2: Die Armen - Betroffene oder Profiteure

  • FTD.de, 09.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
Jetzt bewerten
Bookmarken   Drucken   Senden   Leserbrief schreiben   Fehler melden  

Den Parameter für die jeweilige Rubrik anpassen: @videoList
  • Demografischer Wandel: Senioren-Hedge

    Es braucht gar nicht viel Anstrengung, um aus einer positiven Nachricht eine angsteinflößende zu machen. Es reicht aus zu erwähnen, dass der demografische Wandel am Werk ist. mehr

  •  
  • blättern
Tweets von FTD.de Politik-News

Weitere Tweets von FTD.de

  30.03. Wissenstest Das kleine Saarland-Quiz

Das Saarland hat nach dem Scheitern der ersten Jamaika-Koalition auf Landesebene neu gewählt. CDU und SPD verhandeln über eine neue Regierung. Kennen Sie sich aus im nach Bevölkerung zweitkleinsten deutschen Bundesland?

An welche Länder grenzt das Saarland?

Wissenstest: Das kleine Saarland-Quiz

Alle Tests

FTD-Wirtschaftswunder Weitere FTD-Blogs

alle FTD-Blogs

Newsletter:   Newsletter: Eilmeldungen Politik

Ob Regierungsauflösung oder Umfragehoch für die Linkspartei - erfahren Sie wichtige Politik-Nachrichten, sobald sie uns erreichen.

Beispiel   |   Datenschutz
 



INTERNATIONAL

mehr International

DEUTSCHLAND

mehr Deutschland

EUROPA

mehr Europa

KONJUNKTUR

mehr Konjunktur

 
© 1999 - 2012 Financial Times Deutschland
Aktuelle Nachrichten über Wirtschaft, Politik, Finanzen und Börsen

Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!

Über FTD.de | Impressum | Datenschutz | Disclaimer | Mediadaten | E-Mail an FTD | Sitemap | Hilfe | Archiv
Mit ICRA gekennzeichnet

VW | Siemens | Apple | Gold | MBA | Business English | IQ-Test | Gehaltsrechner | Festgeld-Vergleich | Erbschaftssteuer
G+J Glossar
Partner-Angebote