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Merken   Drucken   08.03.2012, 10:00 Schriftgröße: AAA

Fußball-EM: Fußballfans in Tschernobyl

Während der Europameisterschaft fürchtet die Ukraine einen Ansturm auf den Katastrophenreaktor. Der gilt inzwischen als Touristenattraktion - inklusive umliegender Todeszone. von Nina Jeglinski, Kiew
Verfallende Dörfer, überwucherte Straßen, ein verlassener Rummelplatz und die gefährlichste Reaktorruine Europas - Tschernobyl ist zur Touristenattraktion geworden. Auch viele Besucher der Europameisterschaft 2012 planen einen Abstecher in die Todeszone. Über eine Million Besucher erwartet die Ukraine in diesem Sommer. Reiseveranstalter freuten sich auf einen Ansturm auf das 120 Kilometer, also knapp zwei Autostunden von der Hauptstadt Kiew entfernte Tschernobyl. Aber die Regierung macht ihnen jetzt einen Strich durch die Rechnung.
"Tschernobyl ist nicht Disneyland und eine Fahrt dorthin keine Vergnügungsreise", sagt Julia Jegorowa, Pressesprecherin des ukrainischen Katastrophenschutzministeriums. Deshalb müssen nun alle Touristen ihre Reise nach Tschernobyl bei der Regierung 14 Tage vor Antritt anmelden. Nur spezielle Reisebüros, von der Regierung kontrollierte Firmen, dürfen die Fahrten organisieren.
Wenig Zeit haben Tschernobyl-Besucher für Fotos vom AKW   Wenig Zeit haben Tschernobyl-Besucher für Fotos vom AKW
Nach dem 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl und der Havarie im japanischen Atomkraftwerk Fukushima im vergangenen Frühjahr, setzte ein regelrechter Tourismusboom nach Tschernobyl ein. Die Regierung reagierte. Erst verbot sie die beliebten, aber keinesfalls ungefährlichen Reisen. Seit einigen Monaten sind die bislang gut 100 Dollar kostenden Ausflüge unter strengen Sicherheitsauflagen wieder erlaubt.
Angelockt von Fotos und TV-Berichten aus der verlassenen, ehemals 49.000 Einwohner zählenden Stadt Pripjat, suchten viele Touristen den besonderen Nervenkitzel. Obwohl strengstens davor gewarnt wird, die Wege zu verlassen, Gebäude zu betreten oder Souvenirs mitzunehmen, tauchten im vergangenen Sommer Bilder von Touristen auf, die am Wegesrand wachsende Beeren aßen.
Eigentlich hat Strahlenschutz höchste Priorität bei diesen Fahrten: Bevor es in die Sicherheitszone geht, müssen alle die Fahrzeuge verlassen und sich einem ersten Sicherheits- und Strahlencheck stellen. Noch mehrfach werden solche Kontrollen gemacht, wer bis 500 Meter an den am 26. April 1986 verunglückten Reaktor heranwill, muss einen Schutzanzug und Schutzschuhe anziehen. Während des gesamten Aufenthalts in der Zone trägt jeder Besucher sein eigenes Strahlenmessgerät. "Die Welt soll sich anschauen, was die Katastrophe verursacht hat", sagt Wolodimir Holoscha, Direktor der Zone von Tschernobyl. Seine Mitarbeiter sind jetzt immer dabei, wenn Besucher das Sperrgebiet um den havarierten Reaktorblock bereisen.
Pripjat, die Heimat der AKW-Beschäftigten, ist seit 26 Jahren eine Geisterstadt. Doch in den vergangenen Jahren sind rund 3000 Menschen in das Gebiet zurückgekehrt, 215 leben direkt in der Sperrzone. 3473 Leute arbeiten im AKW. Weil die Brennstäbe der anderen Reaktoren nicht ausgelagert sind, muss die Anlage laufend versorgt werden. Die meisten Angestellten leben in Slawutitsch, 15 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Dort können auch Touristen übernachten.
Greenpeace kritisiert die Touren zum Reaktorblock, die Folgen der Atomkraft würden verharmlost werden. Auch von Ausflügen im durchschnittlich 25 bis 30 Grad warmen Hochsommer wird wegen der Staub- und Brandgefahr abgeraten. Wälder und Böden der Gefahrenzone sind weiterhin radioaktiv verseucht. Der Leiter des AKW Tschernobyl, Igor Gramotkin, erklärt es anschaulich: "Kartoffeln kann man in Tschernobyl nach wie vor anbauen, mit dem Essen muss man jedoch warten. Vielleicht 20.000 Jahre."
  • Aus der FTD vom 08.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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