Küchen-Bildband
Das Auge isst mit
Abgesehen davon, dass ich nichts so sehr verabscheue wie rote, stinkende Wassermelone, weiß ich schon lange, dass die meisten Frauen verrückte Essgestörte sind, die ihr Leben mit der Angst vergeuden, etwas Falsches und womöglich zu viel davon zu essen, sich tagsüber mit Reiscrackern und Dinkelkeksen abquälen, um abends ihren Frust in dick machendem Alkohol zu ertränken.
Aber seit einiger Zeit mache ich in meinem Bekanntenkreis eine noch schlimmere Störung aus: das Biafra-Syndrom. Damit meine ich nicht die Frauen, die Diät halten, sondern Frauen, die sich so wenig Nahrung zuführen, dass sie Hunger leiden. Und zwar nicht den Hunger, den Sie und ich nach einem erfüllten Vormittag mit nur einem kleinen Croissant statt englischem Frühstück gegen 14 Uhr verspüren, sondern die Art Hunger, den die unglücklichen Menschen kennen.
Menschen, die unter Krieg und Dürrekatastrophen leiden. Menschen, in deren Nähe es einfach nichts Essbares mehr gibt. Diesen Hunger meine ich. Das Heimtückische an diesen Frauen ist, dass sie von Weitem ganz normal, fast unscheinbar wirken. Dass sie nur aus Haut und Knochen bestehen, verdeckt ihre Kleidung. Sie zeigen kein Dekolleté, weil ihr Brustkorb zu knochig ist, und keine Beine, weil sie ihre Oberschenkel zu dick finden. Ihr Gesicht ist eingefallen, ihre Haare sind kraftlos, und sie überlegen, ihre hohlen Wangen mit Hyaluronsäure aufspritzen zu lassen, tun es aber nie.