Neue Musik: Veröffentlichungen der Woche
Zu den hörenswerten CDs gehören "Home Again" von Michael Kiwanuka, "Poémes" von Renée Fleming, "Juice Me Up" von Dani Wilde und "Valentina" von The Wedding Present.
Klar - der Mann ist nicht schlecht. Aber innerhalb kurzer Zeit schon wieder einen Retrosouler als Nachfolger von Otis Redding zu küren wird langsam langweilig. Aloe Blacc, Uncle Ben und wie sie alle hießen waren toll anzuhören, aber ohne eigene Identität - und deshalb schnell weg vom Fenster. Das droht dem 24-jährigen Briten Michael Kiwanuka aus London ebenfalls.
Es sei denn, er stellt sich nach drei EPs und seinem gerade veröffentlichten Debütalbum endlich auf die eigenen Füße. Mit seinen afrikanischen Wurzeln - seine Eltern kommen aus Uganda - traut man ihm durchaus Innovation zu. So klingt aus seinen einfach gehaltenen Songs immer wieder eine deutlich erkennbare musikalische Handschrift - und lässt ihn sogar exotische Instrumente wie Tabla, Sitar und Harfe zum Einsatz bringen.
Ein weiterer Vorteil für den studierten Jazzer dürfte seine Begeisterung für Bob Dylan sein: Der gebürtige Herr Zimmerman ist komplett soulunverdächtig und könnte deshalb einige Farbtupfer im bluenotegeschwängerten Kiwanuka'schen Oeuvre hinterlassen. Bescheinigen muss man dem jungen Musiker: Sein Debütalbum macht Hoffnung auf mehr. Denn einige Songs sind richtig klasse! Und vom ideenlosen Kopieren - vulgo Klauen - scheint er wenig zu halten.
Von Willy Theobald
| Michael Kiwanuka |
|---|
| CD: Home Again |
| Polydor/Universal |
| FTD-Bewertung: 4 von 5 Punkten |
Ist von ihr die Rede, denkt man vor allem an "Arabella" oder die liebenden und leidenden Frauen der Mozart-Opern. Nun hat Renée Fleming eine Platte mit französischen Liedern aufgenommen. Hinreißend führt sie - eine der wenigen Sopranistinnen, die sowohl stimmlich als auch optisch über eine Divenausstrahlung verfügt - in die Märchenwelt von "Shéhérazade" ein. Die Sängerin behauptet sich mit Leichtigkeit gegen die süffige, klangmächtige Orchesterbegleitung Ravels.
Sie lässt ihre luxuriöse Stimme verströmen auch in Messiaens anrührenden "Poèmes pour Mi", die der Komponist einst seiner ersten Frau widmete. Überwältigend ebenfalls die Interpretation der Lieder von Henri Dutilleux. Bezwingend, wie Fleming dabei Landschaften, Träume und vergehende Stunden besingt.
Von Dagmar Zurek
| Renée Fleming |
|---|
| CD: Poémes |
| Decca |
| FTD-Bewertung: 5 von 5 Punkten |
Aufdrehen. Lostanzen. Das ist nicht für alle Bluesalben typisch. Bei Dani Wildes drittem Solowerk bietet sich aber Bewegung an. Vom ersten Moment fährt einem der Schwung in die Füße, die unverkennbare Stimme ins Ohr. Ein knappes Dutzend Eigenkompositionen plus zwei Coverversionen hat die junge Musikerin eingespielt - und ihre Fans mit einem quietschbunten Cover irritiert. Kraft gepaart mit perlendem Esprit, jede Menge Verve und Unbekümmertheit, dazu ein Spritzer Soul und Melancholie.
In den Texten versucht die Britin, nicht nur ihr ganz persönliches Schicksal, sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen zu verarbeiten. Besonders intensiv ist das Hörerlebnis, wenn Wilde die Instrumentierung reduziert, den Worten und Klängen Raum gibt - samtig-vibrierend, dunkel und authentisch!
Von Sabine Meinert
| Dani Wilde |
|---|
| CD: Juice Me Up |
| Ruf Records / In-akustik |
| FTD-Bewertung: 4 von 5 Punkten |
In Sachen Geschwindigkeit hat The Wedding Present anfangs keiner was vorgemacht. Wie David Gedge bei den frühen Konzerten der britischen Gitarrenpopper über die Saiten raspelte, das hätte jede Moulinette abgehängt. Heute überlässt der Sänger und Gitarrist das High-Speed-Schrammeln dankbaren Adepten wie Veronica Falls und kümmert sich eher um Dinge wie den Sound.
Etwa den des Basses, der auf "Valentina" schwer wie schwingende Ankerketten klingt und verrät, warum das vielleicht beliebteste Wedding-Present-Album "Seamonsters" vom Schwerklangmeister Steve Albini produziert wurde. An Gedges flachen Gesang kann auch ein Produzent nichts drehen, aber solange eine neue Wedding-Present-Platte Stürmerhits wie "Back a Bit ... Stop" enthält, wird das keinen Langzeitfan stören.
Von Gregor Kessler
| The Wedding Present |
|---|
| CD: Valentina |
| Stickman/Soulfood |
| FTD-Bewertung: 4 von 5 Punkten |
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Aus der FTD vom 12.03.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,
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