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Merken   Drucken   09.03.2012, 12:16 Schriftgröße: AAA

Abschied vom Atom: Energiepolitik, bitte wenden!

Leitartikel Für einen Industriestaat wie Deutschland ist der Ausstieg aus der Kernkraft und der Weg hin zu erneuerbaren Energien riskant. Die Politik muss den Mut aufbringen, den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft umzusetzen und zu gestalten.
Deutschland wagt ein Experiment. Der Abschied von der Kernkraft und der Umbau der Energieversorgung sind der größte planwirtschaftliche Eingriff in den Markt seit Gründung der Bundesrepublik. Nie zuvor hat der Staat der gesamten Volkswirtschaft einen Technologiewechsel von oben verordnet, Konzernen per Gesetz einen wesentlichen Teil der Geschäftsgrundlage entzogen, Milliarden teure Anlagen über Nacht wertlos gemacht. Und das alles bei laufendem Betrieb, in einem Industrieland, das Tag und Nacht verlässlich unter Strom stehen muss. Darf die Regierung das? Natürlich. Wird es gut gehen? Vielleicht. Ist es trotzdem richtig? Ja.
Grundsätzlich misstraut die Financial Times Deutschland allen Versuchen des Staates, aktiv in die Wirtschaft einzugreifen. Und Skepsis ist auch diesmal angebracht. Angesichts der Größe des Projekts wirkt die Politik bei dessen Umsetzung reichlich planlos und unkoordiniert. Da liegen zwei Minister im Dauerstreit um die Zuständigkeit, da werden Steuermilliarden unkontrolliert in die Solarförderung gepumpt und Windparks ohne die nötigen Überlandleitungen geplant. All das trägt nicht dazu bei, Vertrauen in die energiepolitische Kompetenz des Staates zu fassen.
Trotzdem ist die Energiewende politisch wie ökonomisch richtig - und deshalb unterstützt die FTD diesen Weg. Wir halten es für zwingend notwendig, die Energieversorgung auf nachhaltige Technologien umzustellen - und zwar weltweit. Zum einen, weil fossile Brennstoffe trotz immer ausgefeilterer Fördertechniken endlich sind, zum anderen, weil wir kommenden Generationen eine intakte und lebenswerte Umwelt hinterlassen müssen.
Sicher: Der Marktmechanismus würde über knapper werdende Rohstoffe und steigende Energiepreise zum gleichen Ergebnis führen - nur viel langsamer, als es zu verantworten ist. Deshalb ist der staatliche Eingriff gerechtfertigt, zumal er im Volk breite Unterstützung findet und damit demokratisch legitimiert ist.
 
Die Energiewende ist eine große Chance für unser Land - wenn wir sie richtig managen. Die staatliche Förderung regenerativer Energien kann neue, leistungsfähige Zukunftsindustrien schaffen - oder subventionierte Scheinblüten wie in der Solarbranche. Der Bau von Offshore-Windparks, neuen Stromtrassen und Speicherwerken kann Deutschland zum globalen Vorreiter für Ökostrom machen - oder Investitionsruinen produzieren. Hohe Umweltstandards können deutschen Firmen einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschaffen - oder ihre Wettbewerbsfähigkeit zerstören. Damit das richtige Szenario eintritt, braucht die Energiewende eine klare politische Führung. Und die ist bisher nicht zu erkennen.
Machen wir uns nichts vor: Die Energiewende wird unsere Wirtschaft kurzfristig nicht leistungsfähiger machen, sondern schwächen.

Teil 2: Die Welt schaut aufmerksam zu

  • Aus der FTD vom 09.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 10.03.2012 13:12:26 Uhr   Toni-Ketzer: Es lautet wie 'nur billige Kernernergie&...

    Wie im Bericht erläutert ist das Management eher schlecht. Der Stromkunde zahlte für den Ausbau und Instandhaltung der Netzwerke mit dem Ergebnis, veraltete Anlagen abermals Kostenträchtig zu finanzieren. Offenkundig haben in Sachen "Stromnetzwerke" die großen Stromkonzerne ein besonderes Geschäft abgeschlossen, dieses unter Ausschluß des zahlenden Kunden. Der Deal scheint längst in trockene Tücher, von den Medien verschwiegen, von der Politik durchgewunken und abgeschlossen.
    Bemerkenswert ist das Vorhaben mittels Solarstrom eine Versorgungslücke schließen zu wollen. Vor Zeiten wurde bereits errechnet, das die Herstellung einer Solaranlage mehr Energie und Rohstoffe verbraucht als diese in ihrer Lebenszeit wiedergeben kann. Trotz diesen besseren Wissen wurde die Solarbranche politisch gewollt und mit dem Erfolg gefördert, ein sehr hohen Strompreis dem Kunden einreden zu können. Auch hier schweigt der Kunde. Viele Privathaushalte nehmen sogar "ganz clever" Subventionen zur Finanzierung ihrer eigenen Solaranlage in der Kalkulation auf. Folglich eine Kostenbombe auf dem eigenen Hausdach? Diese wird nur abwendbar wenn der Strompreis sehr hoch bleibt. Aber ist dann mit Blick auf die viel zu hohen Energiekosten der Industriestandort Deutschland noch Wettbewerbsfähig? Die logische Konsequenz welche politisch geschickt herbei geführt wurde, lautet wie "nur billige Kernenergie".

  • 09.03.2012 17:37:05 Uhr   LBS: Energiewende ohne Plan
  • 09.03.2012 14:19:54 Uhr   Ruehl: bitte wenden
  • 09.03.2012 14:06:05 Uhr   EE_solar: ein gigantisches Entwicklungshilfeprogramm
  • 09.03.2012 13:26:49 Uhr   Maschmann: Energiepolitik, bitte wenden
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