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Merken   Drucken   12.03.2012, 13:33 Schriftgröße: AAA

Biokraftstoff: Mit Zaubersprit durch das Tal des Todes

Zahlreiche Startups forschen seit Jahren an Benzin aus Algen. Konzerne wie Dow Chemical investieren bereits, auch der deutsche Gasekonzern Linde will einsteigen. Welche Technik sich durchsetzen wird, wissen jedoch nicht einmal die Beteiligten. von Kathrin Werner  Houston und Klaus Max Smolka  München
Sie nennen es das Tal des Todes. Es ist ein tiefes und langes Tal, in dem Dutzende Startups aus der Biosprit-Branche gestorben sind. Todesursache: Geldmangel. "Wir stecken in einem Dilemma", sagt Noubar Afeyan, Gründer des Biosprit-Startups Joule. "Um Investoren zu beweisen, dass unsere Idee funktionieren kann, müssen wir erst mal Millionen ausgeben." Beim biochemisch komplexen Biosprit sei das Tal des Todes zwischen erstem Wagniskapital und Marktreife besonders lang, sagt Aaron Brady vom Recherchehaus IHS. "Was im Reagenzglas klappt, klappt noch lange nicht in großen Fässern."
Hier entsteht aus Algen der Kraftstoff der Zukunft   Hier entsteht aus Algen der Kraftstoff der Zukunft
Doch jetzt gibt es neue Hoffnung. Nach jahrelanger Forschung kommen einige Firmen zu Geld: durch Deals mit Großkonzernen wie Dow Chemical, DuPont, General Electric (GE) - und Börsengänge. Ein Grund ist der hohe Ölpreis, der die Suche nach Alternativen interessanter macht. "2012 wird ein entscheidendes Jahr", sagt Afeyan. "Das eine oder andere Startup könnte den Durchbruch schaffen."
Neuer Biosprit, an dem Firmen wie Joule, Accelergy oder Solazyme arbeiten, ist dringend nötig, denn verfügbare Agrartreibstoffe sind umstritten. Wenn sie im großen Stil angebaut werden, verdrängen sie Rohstoffe für Lebensmittel, ihre CO2-Bilanz ist oft schlecht, besonders wenn Regenwälder für Palmöl gerodet werden. Im Erneuerbare-Energien-Land Deutschland ist der Biospritabsatz 2012 um zwei Prozent gesunken, trotz E10-Versuchen.
Die US-Startups arbeiten an sogenanntem Biokraftstoff der zweiten Generation, er wird aus Algen, Stroh oder Abfällen gewonnen und schadet weder der Umwelt noch der Lebensmittelproduktion. Algen fressen sogar CO2, wenn man sie nahe an Industrieanlagen züchtet, können sie mit deren Emissionen wachsen. Joule oder Accelergy verändern sie genetisch, damit sie resistenter gegen Umwelteinflüsse werden und schneller wachsen.
Sechs Biosprit-Startups sind seit gut einem Jahr an die Börse gegangen, sieben folgen 2012 und 2013. Sie heißen Ceres, Gevo oder Enerkem, in Deutschland kennt sie kaum einer, in den USA ziehen sie Investoren an - obwohl sie Verluste schreiben und unklar ist, welche Technik sich durchsetzt.
Hinzu kommen Großkonzerne, die sich mit den Startups verbünden. Während Ölkonzerne wie Shell schon vor Jahren in die Branche investiert und viel Geld verloren haben, komme jetzt eine neue Investorenwelle, sagt Afeyan von Joule. "Wir sehen mehr und mehr Interesse von Unternehmen, die nicht nur aus PR-Gründen in Biosprit investieren, sondern die es ernst meinen und damit Geld verdienen wollen." Klassische Projektfinanzierer scheuten die Technikrisiken, die im Aufbau einer Produktion liegen, aber Konzerne aus verwandten Branchen wie Chemie hätten großes Interesse, sagt Mark Goodman von der Venture-Capital-Firma Terawatt.
Auch der deutsche Gasekonzern Linde  schließt Verbindungen mit Herstellern von Öl auf Algenbasis, etwa 2011 mit dem US-Startup Sapphire. "Wir verhandeln momentan mit einer Handvoll Algenfarmen, zumeist in den USA", sagt Linde-Vorstand Aldo Belloni. Dabei gehe es nicht um Beteiligungen an den Firmen. Vielmehr liefern die Münchner zu besonders günstigen Preisen das CO2 für die Algenzucht und sichern sich im Gegenzug langfristige Lieferverträge. Noch handele es sich um Pilotprojekte, die kommerzielle Verwertung in größerem Stil sei erst ab etwa 2020 zu erwarten, so Belloni. Umsatzziele nannte er nicht. "Aber das soll sicherlich kein einstelliger Millionenbetrag sein."
Joule will 2013 die erste Großanlage bauen, auf 1000 Hektar. Bis der Algensprit marktreif sei, vergingen zwar noch Jahre, sagt Afeyan. "Aber bald wird sich zeigen, welche Technik überlebt. Ob es unsere sein wird, kann noch nicht einmal ich sagen. So sind eben die Risiken in unserer Branche."
15:46:20 Kursinformationen und Charts
Name aktuell  absolut  
Linde 133,5 EUR   -0,34%  -0.45
  • FTD.de, 12.03.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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