Noch bevor der sperrige Ex-Pfarrer am Sonntag zum Kandidaten für das Bundespräsidentenamt wird, formiert sich im Netz eine Protestbewegung. Gauck, der "Präsident der Herzen" von 2010, habe "unsere Herzen verloren", heißt es da. Zur Begründung werden zwei Links angeführt. Einer führt zu einem Interview, in dem Gauck dem Integrationsprovokateur Sarrazin Mut attestiert, weil dieser über ein Thema, das in der Gesellschaft bestehe, offener gesprochen habe als die Politik - wobei untergeht, dass er Sarrazin in der Sache widerspricht. Der andere Link geht zu Äußerungen über die bankenkritische Occupy-Bewegung mit der Überschrift: Gauck nennt Proteste "unsäglich albern".
Ausgerechnet im Internet, wo bei seinem ersten Anlauf der Gauck-Hype losbrach, machen nun seine Kritiker mobil. Und manche stellen überrascht fest, dass der Theologe in zentralen Fragen Positionen vertritt, die alles andere sind als links, wo die Parteien stehen, die ihn vorgeschlagen haben. "Gauck ist auch ein Befürworter von Hartz IV", postet ein User. Und ein weiterer fügt hinzu: "Gauck ist auch ein Befürworter des Afghanistan-Krieges." In Zitatsammlungen, die im Netz kursieren, ist sogar von "Worten eines Antidemokraten und Extremisten" die Rede.
Die Kommentare machen deutlich, wie wenig sich einige bislang mit den Positionen des früheren DDR-Bürgerrechtlers und späteren Stasijägers beschäftigt haben - auch solche, die sich im Sommer 2010 mitreißen ließen. Dass der Antikommunist ein glühender Marktwirtschaftler ist, der anders als viele in der SPD Gerhard Schröders Sozialreformen noch heute lobt und davor warnt, die Freiheit der Wirtschaft zu beschränken, hat jeder mitbekommen können, der einmal eine Rede von ihm gehört hat. Wenn Gauck über die Finanzkrise sprach, war klar, dass hier einer redete, der besser zu Union und FDP passt als zu SPD und Grünen. Die zentralen Positionen des künftigen Präsidenten im Einzelnen: