Eine Reihe drastischer Prämienerhöhungen bei privaten Krankenversicherungen rufen die Verbraucherzentralen auf den Plan. Eine bundesweite Auswertung habe "erhebliche Mängel im System" ergeben, erklärte Gerd Billen, Bundesvorstand der Verbraucherzentralen, am Donnerstag in Berlin. Untersucht wurden 144 Beschwerden, die seit Dezember 2011 bei den Verbraucherzentralen eingegangen waren. Um durchschnittlich 24 Prozent seien die Versicherungsprämien in den Beschwerdefällen gestiegen. Bei einigen Versicherungen, wie der Central, der Gothaer oder der DKV gab es Erhöhungen von bis zu 60 Prozent.
Die Kritik der Verbraucherschützer befeuert die Debatte über die Zukunft des Systems privater Krankenversicherungen. Vor zwei Wochen hatte bereits der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn (CDU), erklärt, die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei "nicht mehr zeitgemäß". Eine Abschaffung des zweigliedrigen Systems schloss er nicht aus. Sein Fraktionskollege Johannes Singhammer (CSU) sprach sich hingegen für das System aus.
Laut Verbraucherzentrale sind vor allem langjährige Bestandskunden und ältere Versicherte in den sogenannten "geschlossenen Tarifen" von den Preissteigerungen betroffen. Eine 59-jährige Frau zum Beispiel, die sich bei den Verbraucherschützern gemeldet habe, müsse inzwischen monatlich 1095 Euro für ihre Versicherung bezahlen.
"Unsere Befürchtungen wurden hier weit übertroffen", sagte Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Die privaten Krankenversicherungen bieten den Kunden häufig Tarife an, die keinen Sinn machen", sagte der Versicherungsexperte. In vielen Fällen sei es für die Versicherten zwar möglich, in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Viele Versicherungen versuchten aber, solche Wechsel zu verhindern.
Der Verband der Privaten Krankenversicherung wies die Vorwürfe zurück. Verbandsdirektor Volker Leienbach bezeichnete die Auswertung der Verbraucherzentrale als "unseriös". Mehrere unabhängige Analysedienste hätten aktuell lediglich einen Prämienanstieg von durchschnittlich zwei Prozent festgestellt, erklärte Leienbach. Außerdem habe jeder Versicherte das Recht, den Tarif zu wechseln.
Die Verbraucherzentrale sieht nun vor allem Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in der Pflicht: "Die Folgen einer finanziellen Überforderung der Verbraucher dürfen nicht sozialisiert werden", mahnte Bundesvorstand Billen. "Sie müssen innerhalb des PKV-Systems gelöst werden."