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Steuerabkommen: Deutsche Aufpasser in Schweizer Banken?

Sonntag, 8. April 2012, 5:51 Uhr, Aktualisiert 17:20 Uhr

Keine Ruhe im Streit um das Steuerabkommen mit Deutschland. Auch bei CVP und FDP wächst die Kritik an den Vereinbarungen und Teile der SP kündigen entschiedene Opposition an. Der Zürcher Bankenprofessor Martin Janssen warnt zudem vor deutschen Aufsehern in Schweizer Banken.

Für Diskussionen sorgte der Passus, der festhält, dass «sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden».

Bild Ein Mann redet
Bankenprofessor Janssen: «Die Schweiz hat schlecht verhandelt.» keystone/archiv

Aus Sicht des Zürcher Finanzmarktprofessors Martin Janssen schliesst der Wortlaut des Abkommens den Kauf von Kundendaten auch in Zukunft nicht explizit aus. Die deutschen Finanzbehörden würden «weiterhin CDs kaufen», schreibt Janssen in einem Gastbeitrag für die Zeitung «Der Sonntag».

Der Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), Mario Tuor, hielt allerdings fest, dass auch der Kauf von Daten-CDs eine «aktive» Handlung darstelle und deshalb vom Abkommen erfasst werde. Diese Position werde von beiden Seiten vertreten.

Weiter kritisiert Janssen, dass die Schweiz schlecht verhandelt habe und das Steuerabkommen mit Deutschland unterminiere die Souveränität der Schweiz. Für den Finanzplatz Schweiz heisst das weniger Einnahmen und weniger Arbeitsplätze», so Janssen.

Offen für deutsche Kontrolleure

Janssen stört sich weiter daran, dass die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Schweiz vor Ort überprüfen kann, dass bei Beratungen deutscher Kunden die geltenden deutschen Anleger- und Verbraucherschutzvorschriften eingehalten werden. «Man stelle sich vor: deutsche Aufseher in den Räumlichkeiten von Schweizer Banken!», schreibt der Bankenprofessor.

Bild Deutsche Steuerfahnder (keystone)
Das Steuerabkommen mit Deutschland gibt offenbar grünes Licht für Kontrolleure in Schweizer Banken. keystone/archiv

Mario Tuor vom SIF wiegelt ab: Bislang sei es für den Aufbau einer Geschäftsbeziehung Bedingung gewesen, dass die entsprechende Schweizer Bank eine Filiale in Deutschland unterhalte oder aber die Beziehung habe über eine Konkurrenzbank im Nachbarland aufgebaut werden müssen. Diese Vorschriften entfielen nun. Im Gegenzug müsse aber «nachgewiesen werden, dass alle Bedingungen erfüllt sind».

Die Analyse von Bankenprofessor Janssen

Seine Schlussfolgerung: «Das heisst, dass die deutschen Finanzbehörden weiterhin CDs kaufen werden und dass alle anderen Stellen, die nicht den Finanzbehörden unterstehen, zum Beispiel der Geheimdienst, weiterhin auch aktiv CDs beschaffen dürfen, soweit das heute schon erlaubt ist. Und die Schweiz muss den Deutschen auch noch mitteilen, wie viele Personen ihr Geld in welche Länder verschieben. Drittens müssen die Schweizer Banken dem Protokoll auf 14 Seiten im Detail entnehmen, wie sie Dutzende von Geschäftsvorfällen abwickeln müssen.»

Und weiter: «Was am Protokoll indes ernsthaft stört, sind die vorauseilenden Konzessionen, welche die Schweiz Deutschland macht. Sollte das Abkommen in Kraft gesetzt werden, wird nicht nur unser Finanzplatz deutlich verkleinert, die Schweiz wird auch einen massiven Souveränitätsverlust erleiden. Zudem wird ihre Verhandlungsposition gegenüber anderen Staaten, die ebenfalls solche Abkommen wünschen, geschwächt. Schliesslich werden die Schweizer Banken sehr viel Geld in die Informatikumsetzung dieses Abkommens investieren müssen.»

Bereits im ursprünglichen Abkommen

Der Passus, wonach sich Deutschland an Prüfungen durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht beteiligen kann, war bereits im ursprünglichen Steuerabkommen enthalten. Dasselbe gilt für die Erklärung Deutschlands, sich nicht aktiv um den Erwerb von entwendeten Kundendaten zu bemühen.

Die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und ihr deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble hatten das Steuerabkommen bereits im September 2011 unterzeichnet.

Dieses stiess aber insbesondere bei der deutschen Opposition auf Widerstand, weshalb sich die beiden Parteien zu weiteren Gesprächen trafen. Bevor das ergänzte Abkommen in Kraft treten kann, müssen noch die Parlamente der beiden Länder ihre Zustimmung geben.

Gegen offizielle SP-Haltung 

Bei den Schweizer Sozialdemokraten regt sich deutlicher Widerstand nach der Unterzeichnung des revidierten Steuerabkommens. «Ich sehe nicht ein, warum wir Steuerhinterziehern helfen sollten, ihre Schwarzgelder vereinfacht zu legalisieren», sagt SP-Nationalrat Cédric Wermuth in der «SonntagsZeitung».

Bild Mann mit Bart
Wermuth: Hilfen für Steuerhinterzieher sehe ich nicht ein. keystone/archiv

Die Hinterzieher seien Leute, die dafür sorgen würden, dass Familien und kleine Steuerzahler mehr Steuern zahlen müssten, so Wermuth. «Der deutsche Staat muss diese vor Gericht ziehen, und die Schweiz soll von sich aus die Daten dafür ausliefern.» Wermuth würde nur unter strengen Bedingungen einer Vergangenheitsbewältigung mittels Abgeltungssteuer zustimmen.

Wermuth ist aber in der Partei nicht alleine. Auch die Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen wird dem Abkommen nicht zustimmen, «weil es immer noch Schlupflöcher für Steuerhinterzieher enthält». Es müsse zwar eine Reglementierung der Altgelder geben, aber diese dürfe nicht anonym sein.

Schäuble warnt vor «Hochnäsigkeit»

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble hat mit Blick auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen vor «Hochnäsigkeit» von deutscher Seite gewarnt. Bern bewege sich in der Steuerfrage in bisher nicht vorstellbarem Masse.

Ebenfalls unsicher ist die Situation bei den Grünen. Parteipräsident Ueli Leuenberger ist gemäss «SonntagsZeitung» persönlich der Ansicht, dass man dem Abkommen nur zustimmen sollte, falls die Weissgeldstrategie endlich gegenüber allen Ländern angestrebt werde.

FDP: Wiederholte Fehlinformationen

Der designierte FDP-Präsident Philipp Müller kritisiert Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in der «NZZ am Sonntag» mit deutlichen Worten: Er habe «nun wirklich langsam genug von den wiederholten Fehlinformationen», sagt Müller. Ausgelöst habe den Ärger ein Bericht des «Tages-Anzeigers» von Samstag: Dieser handelte davon, dass deutsche Steuerfahnder auch künftig gestohlene Bankdaten aus der Schweiz für ihre Verfahren verwenden dürfen, sofern sie sie nicht aktiv beschafft haben.

Eveline Widmer-Schlumpf zum Steuerabkommen (Tagesschau, 05.04.2012)

«Wir haben den Status quo im Vertrag», stellt Müller fest. Widmer-Schlumpfs Ankündigung, solches sei nicht mehr möglich, sei Makulatur. Widmer-Schlumpf verfüge «über keine Strategie für den Finanzplatz Schweiz».

Expertenkommission gefordert

Dabei gehe es nicht nur um das Abkommen mit Deutschland. Genauso wichtig seien die zahlreichen anrollenden Regulierungs-Wellen aus den USA, der EU oder der OECD. «Und angesichts dessen fehlt mir das Vertrauen, dass die Finanzministerin rechtzeitig eine Strategie entwickelt», so Müller weiter. Auch das Parlament sei dazu nicht in der Lage.

Er fordert deshalb eine «Expertenkommission für eine Finanzplatz-Strategie mit Vertretern aller beteiligten und betroffenen Institutionen, der Wissenschaft, der Aussenpolitik, Spezialisten aus der Verwaltung und der Finanzindustrie – ein Vorgehen also, analog zur Kommission, welche die ‹Too big to fail›-Vorlage ausgearbeitet hat».

AUNS erwägt Referendum

Die Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (AUNS) spielt mit dem Gedanken, das Referendum zu ergreifen. Eric Bertinat, AUNS-Koordinator für die Westschweiz, bestätigte einen entsprechenden Bericht des «SonntagsBlick». Gemäss dem Genfer SVP-Kantonsrat steht die definitive Entscheidung aber noch aus. Die AUNS-Mitglieder könnten an der diesjährigen Generalversammlung vom 28. April über die allfällige Lancierung eines Referendums abstimmen, sagte Bertinat.

SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz kündigt bereits Konsequenzen an: «Wenn deutsche Aufseher tatsächlich in der Schweiz tätig sein dürfen, ist das ein absolutes No-go.» Er sehe die nach einer ersten Beurteilung geäusserte Skepsis der SVP leider bestätigt und setze inzwischen «ein sehr grosses Fragezeichen hinter das Abkommen, das mehr und mehr zu Ungunsten unseres Landes ausfällt».

Bild Amstutz
Amstutz: Abkommen fällt mehr und mehr zu Ungunsten unseres Landes aus. keystone/archiv

Amstutz kritisiert die Schweizer Verhandlungsführung: «Sie wurde von den Deutschen, die offenbar sehr dreist auftreten, über den Tisch gezogen.» Was Deutschland erreicht habe, «grenzt an staatliches Raubrittertum». Auch bei CVP und FDP, die das Abkommen bislang klar unterstützten, wächst die Kritik. CVP-Ständerat Pirmin Bischof (SO) plädiert für eine nüchterne Güterabwägung und betont: «Wir dürfen uns nicht erpressen lassen – die Schweiz kann auch ohne dieses Abkommen leben.»

Auswirkungen des Steuerabkommens sind unklar (Tagesschau, 06.04.2012)

CVP-Vorschlag: Deutsches Parlament abwarten

Bereits im Juni sollen National- und Ständerat über das Abkommen befinden. CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger (LU) lanciert nun aber im «Sonntag» den Vorschlag, dass man abwarten solle, bis das Abkommen durchs deutsche Parlament ist: «Das könnte unsere Position stärken. Und kommt von den Nachbarn ein Nein, dann ist die Sache für uns erledigt.»

Auch Notar im Fokus der Justiz

Im Fall der gestohlenen Credit-Suisse-Daten geht die Bundesanwaltschaft derweil nicht nur gegen drei deutsche Steuerfahnder, sondern auch gegen einen deutschen Notar vor. Lesen Sie hier mehr.

(sf/halp/weis; horm)

Kommentare aktiv...

A. tanner, biel
(skater01 Mann)
Verfasst am: 9.4.2012 23:21

Frau BR EWS, bitte treten Sie zurück

Wovor ich schon in früheren Kommentaren gewarnt... mehr

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W. Tell, villmergen
(WilhelmTell Mann)
Verfasst am: 9.4.2012 15:26

deutsche aufpasser...

...warum nicht gleich in bern ein paar deutsche... [2]  mehr

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M. Blatter, Bremgarten
(maxblatter Mann)
Verfasst am: 9.4.2012 13:50

Ruhe - hinsetzen!

Es gibt tausendmal wichtigere Dinge als dieses... mehr

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