Inhalt

Widerstand gegen «Sans Papiers»-Lehrlinge flammt auf

Freitag, 8. Juni 2012, 12:22 Uhr

Arbeitgeber und rechtsbürgerliche Parteien wollen nicht, dass jugendliche Sans Papiers künftig eine Berufslehre machen können. Sie lassen kein gutes Haar an der vom Bundesrat vorgeschlagenen Verordnungsänderung. Die FDP macht dabei eine Kehrtwende.

Bild

In den Augen der SVP sind Berufslehren für papierlose Jugendliche «völlig kontraproduktiv». «Mit dieser Vorlage wird die Schweiz für illegale Einwanderer noch attraktiver», schreibt die Partei im Rahmen der Vernehmlassung, die nun zu Ende ging.

Ins gleiche Horn stösst die FDP, deren Präsident Philipp Müller grundsätzlich alle illegal Anwesenden ausschaffen will. Unterstützung erhalten die beiden Parteien aus der Wirtschaft. Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) wie auch der Arbeitgeberverband lehnen den Vorschlag des Bundesrates ab.

Rechtliche Grauzone

Für den sgv laden sich Lehrbetriebe, die papierlose Jugendliche anstellen, eine zu grosse Verantwortung auf: Bei Problemen manövrierten sich die Firmen in eine rechtliche Grauzone. Es lohne sich auch nicht für ein Unternehmen, Berufsnachwuchs auszubilden, wenn dieser nach der Lehre nicht weiterarbeiten dürfe.

Gleichzeitig befürchtet der sgv, dass mit der Berufslehre für Papierlose einer automatischen Legalisierung Vorschub geleistet wird. Denn es werde wohl faktisch unmöglich, einen Papierlosen nach Abschluss einer Berufslehre auszuweisen.

«Mit dem Zugang zur Berufslehre wird das Problem der jugendlichen Sans Papiers nicht gelöst, sondern lediglich erneut um drei bis vier Jahre verschoben», heisst es in der Vernehmlassungsantwort des Arbeitgeberverbandes. Der Rechtsstatus der Sans Papiers müsse in einem viel früheren Stadium geklärt werden.

Knapper Entscheid im Parlament

Vor fast zwei Jahren hatte sich das Parlament – auch mit Stimmen der FDP - äusserst knapp dafür entschieden, den jugendlichen Sans Papiers eine Berufslehre zu ermöglichen. Es beauftragte den Bundesrat mit einer Motion, die entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.

Der Bundesrat liess darauf eine Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) ausarbeiten. Diese verlangt von den potenziellen Lehrlingen, dass sie «gut integriert» sein müssen und mindestens fünf obligatorische Schuljahre in der Schweiz absolviert haben.

SVP und die FDP ärgern sich nicht nur über den Inhalt der Verordnungsänderung, sondern auch über die Form: SVP-Generalsekretär Martin Baltisser sagte, er sei einmal mehr erstaunt darüber, dass eine so wichtige und folgenschwere Praxisänderung lediglich mittels Verordnungsänderung vorgenommen werde. So werde ein Referendum verunmöglicht.

SVP behält sich neuen Vorstoss vor

Werde die Verordnungsänderung so umgesetzt, behalte sich die SVP einen parlamentarischen Vorstoss vor, sagte Baltisser. Mit einem solchen könnte die Partei verlangen, dass die Sans-Papier-Regelung nicht als Verordnung, sondern als Bundesgesetz mit Referendumsmöglichkeit festgeschrieben wird.

Zurzeit hätte die Lehre für Sans Papiers im Parlament keine Chance mehr, zeigte sich FDP-Präsident Philipp Müller überzeugt. Das zeigten die Entscheide der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates. Diese verwarf drei Standesinitiativen aus Neuenburg, Basel-Stadt und Jura, die ebenfalls papierlosen Jugendlichen eine Berufslehre ermöglichen wollen.

Linke und Gewerkschaften dafür

Für eine Berufslehre für Sans Papiers und die entsprechende Verordnungsänderung sprachen sich in der Vernehmlassung die SP, die CVP und die Gewerkschaften Unia, Travail.Suisse und der Schweizerische Gewerkschaftsbund aus.

Für die Mehrheit der Befürworter bringt die neue Regelung eine Gleichstellung zwischen Papierlosen, die eine Schule besuchen und jenen, die eine Berufslehre machen möchten. Heute ist es in der Schweiz bereits möglich, ohne Papiere die schulische Ausbildung bis hin zum Universitätsabschluss zu absolvieren.

(sda/engf)