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Merken   Drucken   02.07.2012, 17:03 Schriftgröße: AAA

Abgang nach NSU-Pannen: Fromm ist kein klassisches Bauernopfer

Mit seinem Abschied aus dem Amt "aus Altersgründen" übernimmt der Chef des Verfassungsschutzes Verantwortung für die schlechten Ermittlungen seiner Behörde gegen den Rechtsterror. Innenminister Friedrich dürfte auch aus anderen Gründen zufrieden mit Heinz Fromm sein.
© Bild: 2012 AFP/ODD ANDERSEN
Leitartikel Mit seinem Abschied aus dem Amt "aus Altersgründen" übernimmt der Chef des Verfassungsschutzes Verantwortung für die schlechten Ermittlungen seiner Behörde gegen den Rechtsterror. Innenminister Friedrich dürfte auch aus anderen Gründen zufrieden mit Heinz Fromm sein.
Es ist bitter, wenn ein langes Berufsleben abgeschlossen wird durch einen unglaubwürdigen Auftritt: "Aus Altersgründen" werde Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sein Amt aufgeben, teilt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit. Ausgerechnet jetzt wird er in den Ruhestand gehen, kurz nachdem neue Pannen des Amtes in der Neonazi-Mordserie bekannt wurden - und ein Untersuchungsausschuss des Bundestags ihn als Zeugen dazu vernehmen will.
Fromm ist kein klassisches Bauernopfer. Als Chef des Bundesverfassungsschutzes seit 2000 trägt er die Verantwortung dafür, dass Akten über die rechte Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vernichtet wurden - egal, ob aus Schlampigkeit oder zur Vertuschung. Und in seiner Amtszeit wurden Thüringer Neonazis als V-Leute angeworben, ohne dass seine Behörde dem NSU auf die Spur kam.
Allerdings: Für das Bundesinnenministerium wie auch für das Bundesamt ist der vorzeitige Wechsel Fromms in den Ruhestand ungemein praktisch. Minister Friedrich kann so tun, als habe er konsequent durchgegriffen. Und das Amt muss vorerst keine grundsätzlichen Änderungen fürchten, da der politische Druck sinken dürfte. Fromm hätte ja durchaus sein letztes Jahr nutzen können, um mit seinen Kenntnissen des Amtes Strukturen zu schaffen, die für schnelle, intensive Aufklärung und eine Neuordnung der Behörde sorgen.
Es wäre zudem ein Fehler, sämtliche Verantwortung bei Fromm abzuladen. Er war es immerhin, der den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2006 davor warnte, die Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus zusammen zu legen. Die Fusion folgte der politischen Auffassung der Regierung, dass rechter Terror kein allzu großes Problem mehr darstelle und daher weniger Ressourcen benötige. In Folge der Aufdeckung der NSU-Terrorzelle wurde dieser eklatante Fehler wieder korrigiert.
Welche Konsequenzen darüber hinaus jedoch aus dem Ermittlungsskandal zu ziehen sind, ist völlig unklar. Zwar wurden Unmengen von Untersuchungsausschüssen und Ermittlern berufen, doch die arbeiten mehr nebeneinander als miteinander. Und Innenminister Friedrich lässt nicht erkennen, was er an Veränderungen in Folge des Skandals eigentlich anstrebt. Mit einem Gefahrenzentrum oder einer zentralen Ermittlungsdatei - die nichts nutzt, wenn die Ermittler nichts wissen - kann es schließlich nicht getan sein.
Aber lieber verkündet Friedrich auffällig oft in den letzten Wochen, dass irgendwelche Islamisten, Rechtsextremisten oder Hard-Rocker-Vereine verboten oder aufgelöst wurden. Er zeigt mehr politischen Eifer, wenn es um irgendwelche Verbote geht, als Willen zu Aufklärung und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in all seinen üblen Facetten.
  • FTD.de, 02.07.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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Kommentare
  • 03.07.2012 17:29:31 Uhr   juppiene: Fromm ist Bauernopfer

    Wer glaubt, es ürde sich nun was ändern, der irrt gewaltig. Die Beamten in den Diensten sehen nur zu, daß sie ihr
    eigenes Süppchen kochen. Skandale mit unseren Verfassungsorganen hatte die Republik schon immer. Da macht
    auch die Politik keine Ausnahme. Immer schön im Dunkeln mauscheln. Ob Hr. Srauß, Hr. Kohl usw. Warum kann man
    nicht "" EIN "" Amt schaffen für die gesamten Aufgaben. Nur muß diese Behörde dann auch konstant, am besten von "" FREIEN - MITARBEITERN "" überwacht werden. Oder haben wir nicht genug wirklich qualifizierte
    Leute in der Republik, die dieses können. Es drängt sich doch die Frage auf: will man überhaupt aufklären?
    Was für eine "" SCH. "" Republik sind wir denn mittlerweile? Es ist nur noch zum heulen. Wir brauchen uns über
    andere Staaten garnicht lustig machen. Und die, die wirklich aufklären wollen werden noch behindert. Siehe
    Frankfurter Bankenskandal. Da haben Beamte Ermittlungsverbot, mit Androhung in den Ruhestand versetzt zu
    werden, wenn sie weiter tätig werden. Ich mache jetzt Schluß, mir schwillt schon der Kamm bei diesen Caoten.

  • 03.07.2012 11:33:47 Uhr   Alterssenil: BND
  • 02.07.2012 17:53:24 Uhr   Charbonnier: NSU-Panne
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