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Merken   Drucken   07.07.2012, 10:00 Schriftgröße: AAA

Wahlen: Pionierinnen in der Wüste Libyens

Das Wahlrecht gibt Libyens Frauen die Chance, sich politisch zu beteiligen. Doch die Widerstände sind groß. von Astrid Frefel, Tripolis
Schon als Geschäftsfrau war Ibtissam Bin Amir eine Pionierin. Sie begann mit importierten Seidenblumen, Möbeln und Kunsthandwerk aus Asien. Heute vertreibt sie belgische Schokolade. Diesen Erfolg will sie jetzt in der Politik wiederholen - als Kandidatin bei den ersten freien Wahlen. "Libyen wird gewinnen", sagt Bin Amir am Ende einer Wahlveranstaltung voller Überzeugung.
Geladen hat die 60-jährige Diplomatengattin und Mutter von fünf Kindern in die Handelskammer der Hauptstadt Tripolis. Dort sitzt sie im Vorstand. Etwa zwei Dutzend Interessierte sind gekommen, meist Frauen aus dem Bekanntenkreis, um die Kandidatin der Libyschen Nationalpartei zu treffen. Dieser liberalen Partei hat sie sich angeschlossen. Weil sie Frauen als gleichberechtigte Partner der Männer betrachtet, sagt sie. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass Frauen in allen Bereichen dieselben Chancen hätten und Führungsfunktionen einnehmen könnten.
Frauen nach oben: Eine Kandidatin in Bengasi, Libyen, wirbt im ...   Frauen nach oben: Eine Kandidatin in Bengasi, Libyen, wirbt im Wahlkampf für ihre Parteiliste
Bei den Parlamentswahlen am Samstag, dem endgültigen Schlussstrich unter der Ära des Diktators Muammar al-Gaddafi, ringt eine Vielzahl von Parteien und Kandidaten um 200 Sitze. Der Nationalkongress bestimmt einen Präsidenten, der eine Regierung bildet, und setzt eine verfassunggebende Kommission ein. Während unter 2500 unabhängigen Bewerbern nur 85 Frauen antreten, sind es von 1200 Parteibewerbern mit 540 Frauen fast die Hälfte. Laut Meinungsforschern haben in dem konservativen Land viele Libyer Vorbehalte gegen weibliche Kandidaten. Oft wurden ihre Wahlplakate übersprüht - egal, ob sie darauf mit Kopftuch zu sehen waren oder nicht.
So suchte auch Bin Amir den Schutz einer Partei und hat dabei viel Zuspruch erfahren. "Ohne den Rückhalt einer Partei ist es für Frauen schwierig." Die Unterstützung der Familie ist ihr dabei gewiss. Ihr Mann zeigt sich stolz über die Initiative seiner Frau, Tochter Dina kümmert sich um die Werbung. Auch Männer werden Frauen wählen, ist Bin Amir überzeugt - weil sie der Meinung seien, dass ihr Beitrag für einen demokratischen Neubeginn notwendig sei.
Aber nicht alle Männer zeigen sich so aufgeklärt. In Bengasi haben islamische Extremisten Schönheitssalons verwüstet. Dies seien "Einzelfälle" einiger unverantwortlicher Libyer, sagt die Frau mit dem Kurzhaarschnitt - keine ernst zu nehmende Bewegung. Doch auf dem Land ist die Zurückhaltung gegenüber den demokratischen Neuerungen groß. Die oft noch prekäre Sicherheitslage könnte dafür eine Rolle gespielt haben.
Dabei hat die Übergangsregierung die Teilnahme von Frauen an der Wahl aktiv gefördert. Eine Frauenquote sieht das neue Wahlrecht nicht vor. Aber die Parteilisten, über die 80 Sitze vergeben werden, müssen zur Hälfte mit Frauen besetzt sein, und das nicht nur auf den unteren Rängen.
Alle Kandidatinnen wurden von der libyschen Frauenunion zu einem Seminar eingeladen. "Die Unterstützung, die wir da gespürt haben, gab uns einen echten Schub", sagt Bin Amir, die sonst an Erfolg gewöhnt ist. Das "Forbes"-Magazin setzte sie auf Platz 28 der wichtigsten arabischen Geschäftsfrauen. Jetzt nach der Revolution will sie ihr Können im neu gewählten Nationalkongress einbringen. Und das nicht zuletzt für Frauenrechte: Die stehen auch bei anderen Parteien im Programm. Aber die Partei der Muslimbrüder etwa schränkt ein, dass dies strikt im Rahmen von islamischer Ethik, Werten und Gesetzen zu geschehen habe.
Bin Amir hätte sich mehr Echo gewünscht an diesem Abend. Es war schwierig, einen Saal zu finden. Die Konkurrenz ist groß, und die angefragten Medien zeigten kein Interesse. Der erste libysche Wahlkampf ist Knochenarbeit. Und selbst die Stimmen der Frauen fallen ihr nicht in den Schoß. Im Saal sitzen vor allem gut gebildete, weltoffene Frauen, die genau wissen, was sie wollen. Das ist nicht unbedingt typisch. "Auf dem Land werden viele ihren Mann oder die Söhne fragen, wen sie wählen sollen", sagt eine ältere Teilnehmerin. "Frauen hatten ein behütetes Leben, waren viel im Haus und sind nicht gewohnt, Entscheidungen zu treffen."
  • FTD.de, 07.07.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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