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Merken   Drucken   13.07.2012, 16:52 Schriftgröße: AAA

Orderbird im Expertencheck: Wie Konkurrenten und Fachleute Orderbird sehen

Wie schnell muss Orderbird wachsen? Wie kann das Kassenapp-Startup seine Einnahmen erhöhen? Jochen Fischer, Mitgründer des Rivalen Vectron, und weitere Experten kommentieren die wichtigsten Aufgaben der Gründer. von Lukas Kirchner und Jochen Eversmeier
Orderbird-Gründer Bastian Schmidtke (l.) und Jakob Schreyer   Orderbird-Gründer Bastian Schmidtke (l.) und Jakob Schreyer
Seit Anfang März begleitet FTD.de die fünf Sieger der Gründerinitiative enable2start. Woche für Woche berichten wir über die Fortschritte und Rückschläge der Startups, darunter auch Bastian Schmidtke und Jakob Schreyer, Gründer des Gastrokassensystem-Herstellers Orderbird. Ein Stimmungsbild:
Olaf Jacobi ist Partner beim Risikokapitalgeber Target Partners.   Olaf Jacobi ist Partner beim Risikokapitalgeber Target Partners.
Für Orderbird sind vor allem die wiederkehrenden Einnahmen wichtig, nicht die Einmalumsätze mit Hardware. Als große Chance sehe ich die schnelle Verbreitungsmöglichkeit der Kassensystem-App, da die Einrichtungsinvestitionen und -kosten sehr überschaubar sind und sich der Kunde nur sehr wenig zusätzliche Hardware anschaffen muss.
enable2start-Sieger Orderbird Kneipentour mit dem Kassenvogel
Das Risiko für Orderbird ist meiner Meinung nach die geringe Eintrittsbarriere für aufkommende Wettbewerber. Es gilt eine „Land Grabbing“-Strategie durchzuführen. Konkret: So schnell wie möglich so viele Kunden wie möglich zu binden und das Marktsegment klar anzuführen.
Für die Internationalisierung gibt es keine feste Formel. Es hängt alles davon ab, ob das Geschäftsmodell funktioniert, man die Metriken verstanden und gelernt hat, genügend Kapital für eine schnelle internationale Expansion zur Verfügung steht und - ganz wichtig - ob die richtigen Leute für das entsprechende Land im Team sind.

Target Partners zählt zu den führenden Wagniskapitalgebern in Deutschland.
Christian Leybold ist Partner beim Risikokapitalgeber Eventure ...   Christian Leybold ist Partner beim Risikokapitalgeber Eventure Capital Partners.
Orderbird ist ein höchst spannendes Geschäftsmodell und hat das Potenzial, eine traditionelle Industrie disruptiv zu verändern. Ich habe großen Respekt vor einem Team, das ein "verstaubtes" Thema wie Kassensysteme in der Gastronomie mit einer derart innovativen Lösung revolutionieren will. Das Produkt macht einen sehr guten Eindruck und löst gleich mehrere Probleme der Branche: Es verschlankt die Abwicklung von Bestellung und Bezahlung und verringert Wartezeiten.
Eine große Chance bedeutet gleichzeitig ein großes Risiko. Orderbird bewegt sich in einem kompetitiven Markt mit teilweise sehr ähnlichen Playern. Die Wahl des Apple-Betriebssystems iOS als Plattform hat Vorteile, birgt aber die Gefahr der leichteren Ersetzbarkeit. Neben offensichtlichen Wettbewerbern mit Kassensystemen auf iOS-Geräten sollten Unternehmen wie iZettle, Square oder Payleven beobachtet werden. Sie haben im Payment-Bereich gute Voraussetzungen. Auch etablierte Reservierungssysteme wie OpenTable haben durch ihr Netzwerk in der Gastroszene einen Vorteil und könnten zukünftig in das Marktsegment einsteigen.
Orderbird liefert bisher gute Wachstumsraten: allein von Januar auf Februar wuchs der Umsatz um 232 Prozent, von Februar auf März um 187 Prozent. In dieser frühen Unternehmensphase ist für mich als Investor der monatliche Zuwachs wichtig, nicht die absoluten Größen. Kleiner Wermutstropfen: Die guten Raten stammen vom Hardware-Verkauf, während das spätere Kerngeschäft auf Lizenzgebühren aufbaut.
Für die Internationalisierung rate ich Orderbird, eine kompetente Salesforce vor Ort aufzubauen. Denn ein derartiges Produkt wird sicherlich über den Direktvertrieb skaliert. Hier haben wir von Eventure Capital Partners mit Groupon  viele Erfahrungen gesammelt - Direktvertrieb ist ein sehr hartes Geschäft, doch eine schnelle Internationalisierung ist möglich. Anstatt nur auf Großbritannien und die USA zu setzen, sollte das Team auch die Emerging Markets in Betracht ziehen. Länder wie Russland oder Brasilien haben meist größeres Wachstumspotenzial.

Der Seed-Investor Eventure Capital Partners finanziert Internet-Startups in der Gründungsphase.
Vectron-Mitgründer Jochen Fischer ist Mitglied im Initiativkreis ...   Vectron-Mitgründer Jochen Fischer ist Mitglied im Initiativkreis Gastgewerbe des Branchenverbands Dehoga.
Neben den Verlusten in sechsstelliger Höhe ist es natürlich eine Frage des Standpunktes, ob 100 bis 150 Installationen pro Quartal bei 200.000 Zielbetrieben in Deutschland ein großer Erfolg sind. Zum Vergleich: Vectron hat im ersten Quartal 2012 etwa 2500 Kassen produziert und hat in Deutschland circa 70.000 Installationen.
Orderbird - Video: Die Gründer stellen sich vor (00:01:25)
Orderbird - Video: Die Gründer stellen sich vor (00:01:25)
Die Chance des Geschäftsmodells von Orderbird liegt darin, dass man versucht, die Kasse als eine Art Lifestyleprodukt zu positionieren. In dieser Einschätzung liegt jedoch auch das größte Risiko. Eine Kassenhardware und ihre Software müssen in erster Linie extrem robust sein, und für den Servicefall muss schnell ein Techniker vor Ort sein. Wie ausfallsicher Orderbird ist, wird sich zeigen, und ob technische Probleme via Hotline zu lösen sind, bezweifle ich stark.
Kassensysteme, die den Orderbird-Lösungen sehr ähnlich sind, aber von Anfang an für den Einsatz als Kassensystem entwickelt wurden, gibt es zudem am Markt auch preiswerter.
Ein Kompliment muss man dem Unternehmen für seine Öffentlichkeitsarbeit machen, das Unternehmen hat in der Branche in Relation zu Größe und Historie bereits einen beachtlichen Bekanntheitsgrad. Vectron hat in den vergangenen 20 Jahren viele Startups mit Standardhardware und selbstentwickelter Software kommen und gehen sehen, wir bleiben daher gelassen. Dennoch werden wir die Entwicklung von Orderbird natürlich beobachten.

Vectron Systems ist ein führender europäischer Hersteller von Kassensystemen für die Gastronomie.
Björn Bloching ist Experte für Marketing und Vertrieb und Juror ...   Björn Bloching ist Experte für Marketing und Vertrieb und Juror der FTD-Gründerinitiative enable2start.
Die Orderbird-Gründer haben sich ambitionierte Ziele gesteckt: Sie wollen mit ihrem Produkt der neue Standard der Gastronomie werden. Im ersten Quartal 2012 haben sie sich beachtlich entwickelt. Und die weiteren Aussichten sind gut: Mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent Smartphones an allen neuen Mobiltelefonen in Deutschland und geschätzten 100 Millionen Tablet-Verkäufen weltweit in diesem Jahr - und in beiden Fällen weiterhin dynamischer Marktentwicklung - ist das Potenzial an Endkunden bereits heute riesig.
Trotzdem ist es unabdingbar, jetzt nicht stehen zu bleiben. Der fragmentierte und unübersichtliche Markt der Kassensysteme sowie der massive Wettbewerb bei Smartphone-Apps bergen einige Risiken. Gezielte Marktdurchdringungsstrategien, etwa über bedeutende Referenzkunden und -regionen, geschickte Partnerschaften und technologische Überlegenheit sind daher wichtig, weil etablierte Player sonst schnell aufholen.
Die angestrebte Internationalisierung ist ein großer Schritt und muss wohl überlegt und gut durchdacht sein. Im Überschwang der Erfolge im Heimatmarkt werden unternehmerische und finanzielle Risiken einer Expansion oftmals unterschätzt. Fest steht jedoch, dass innovative Ideen ohne Patentschutz in neue Märkte getragen und dort zügig verankert werden sollten, bevor Plagiate diese Chance nutzen. Da Managementressourcen in jungen Unternehmen meist ein knappes Gut sind, können strategische Partner aus den jeweiligen Märkten sehr nützlich sein.
Nach unseren Erfahrungen konzentrieren sich viele Anbieter nur auf ihren direkten Kunden und lassen die Bedürfnisse der Endverbraucher außen vor. Hier hat Orderbird alle Chancen, es besser zu machen. Mit seiner Strategie ist Orderbird aber auf dem richtigen Weg.

Die Roland Berger Strategy Group ist eine führende Unternehmensberatung und Sponsor der FTD-Gründerinitiative enable2start.
Bernhard Kirchmair verantwortet des Programm der ...   Bernhard Kirchmair verantwortet des Programm der Telefónica-Gründerakademie Wayra in Deutschland.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie rasch und mit welcher Qualität sich Orderbird entwickelt. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es noch einige konkurrierende Projekte im B2B-Markt für Restaurant-Kassensysteme gibt. Deswegen ist die Idee, eine zusätzliche App für Endkunden zu entwickeln, sehr sinnvoll. Ein komplettes Ökosystem, das sich aus der Kassentechnologie und der App aufbauen lässt, ermöglicht spannende Geschäftsmodelle.
Für Orderbird ist die große Herausforderung, seine Entwicklungskapazitäten klug zu verteilen und eine effizienten Akquisestrategie für gleich zwei Kundengruppen zu finden: Restaurants und Gäste. Wenn die neue App genügend Mehrwert für Restaurants erzeugt, dann werden sie bald selbst dafür werben. Die Gastronomen müssten sehr daran interessiert sein, dass ihre Kunden mit dem Smartphone bestellen, ohne dass ein Kellner an den Tisch kommen muss.
Ich wünsche Orderbird viel Erfolg!

Wayra ist der Startup-Accelerator der spanischen Telefónica, die Sponsorin der FTD-Gründerinitiative enable2start ist.
Rouven Westphal ist Geschäftsführer des Risikokapitalgebers Hasso ...   Rouven Westphal ist Geschäftsführer des Risikokapitalgebers Hasso Plattner Ventures.
Ich kenne das Orderbird-Team bereits seit fast zwei Jahren. Wir begegneten uns zum ersten Mal beim Businessplan-Wettbewerb des Hasso-Plattner-Instituts für Softwaresystemtechnik 2010. Orderbird ging als Sieger hervor und erhielt dadurch die erste kleine Finanzspritze. Seither ist aus einer Produktidee ein erfolgreiches Startup geworden, das mittlerweile für 400 Bars und Restaurants iOS-basierte gastronomische Kassen- und Abwicklungssysteme stellt.
Die Entwicklung der Geschäftszahlen stimmt mich auch für die Zukunft optimistisch. Seit Beginn des Jahres konnte Orderbird seine Einnahmen mehr als vervierfachen. Dass noch Verlust erwirtschaftet wird, ist durchaus normal für ein Startup in diesem Stadium. Ziel ist ein schnelles Wachstum, um sich Markmacht zu sichern.
Ich sehe drei Risiken: Erstens, der Vertriebsprozess muss nachhaltig gestaltet werden. Durch die gute Presseberichterstattung hat es Orderbird zwar geschafft, relativ schnell einen ersten Kundenstamm zu gewinnen, sich allein auf PR zu verlassen, wird jedoch in der Zukunft nicht funktionieren. Zweitens, Orderbird ist einer steigenden Anzahl von Wettbewerbern ausgesetzt, die ähnliche Lösungen auf Apple-Produkten anbieten. Diese gilt es zu beobachten und ihnen immer einen Schritt voraus zu sein. Drittens, bisher war der Service quasi kostenfrei. Es ist abzuwarten, welches Lizenzmodell sich umsetzen lässt.
Das Team ist auf dem richtigen Weg, jetzt heißt es, den Fokus nicht zu verlieren. Das neu aufgenommene Kapital bietet eine solide Basis zur weiteren Entwicklung.

Hasso Plattner Ventures ist ein Wagniskapitalgeber im IT-Bereich, der eng mit dem Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik verbunden ist.
  • FTD.de, 13.07.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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