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  FTD-Serie: Richtig gründen

Die Geschäftsidee ist genial – aber das reicht noch lange nicht, um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. In unserer Serie zeigen wir, was Existenzgründer beachten müssen, wo die größten Aufgaben und die bösesten Fallen liegen.

Merken   Drucken   04.09.2012, 10:00 Schriftgröße: AAA

Von der Idee zum Business Plan: Schritt für Schritt zum Marktauftritt

Die Idee ist oft nicht das Problem von Gründern, sondern die Disziplin beim Aufbau eines lukrativen Geschäftsmodells.
© Bild: 2012 FTD/Eva Vasari
Die Idee ist oft nicht das Problem von Gründern, sondern die Disziplin beim Aufbau eines lukrativen Geschäftsmodells. von David Selbach
Wirklich neu ist ihre Technik nicht. Und doch sind vier Gründer aus München zuversichtlich, dass sie damit in fünf Jahren mehr als 40 Mio. Euro umsetzen werden - weil sie eine neue Möglichkeit gefunden haben, sie einzusetzen. Ihr Unternehmen fos4X misst mit lichtleitenden Glasfasern die Schwingungen der Rotorblätter von Windkraftanlagen. Solche "Faser-Bragg-Gitter" gibt es seit den 80er-Jahren. Die Münchner Gründer sind aber die Ersten, die damit auch kleine Veränderungen erfassen können.
Sie kleben die Glasfasern außen aufs Rotorblatt - und je nachdem, in welche Richtung der Wind die Konstruktion biegt, sollen Stellmotoren die Ausrichtung der Rotoren verändern. Deren Blätter stehen so immer optimal im Wind. Die neue Regeltechnik, verspricht fos4X-Geschäftsführer Lars Hoffmann, soll bis zu sechs Prozent mehr Strom einbringen. "Das macht bei einer Drei-Megawatt-Anlage 20.000 Euro pro Jahr aus."
 
Monatelang hatten die Gründer recherchiert, in welchen Industrien es technische Probleme gibt, die zu den Faser-Bragg-Gittern passen. "Wir haben 50 mögliche Anwendungen geprüft", erinnert sich Hoffmann. 30 verwarfen die Gründer sofort, von den 20 übrigen erwiesen sich drei als besonders interessant: die Sensoren für Windparks, außerdem Belastungsmessungen im Prototypenbau und an Stromabnehmern von Zügen. "Die drücken heute nicht immer mit der optimalen Kraft gegen die Oberleitungen", sagt Hoffmann. "Um das zu regulieren, sind unsere Sensoren ideal - sie müssen nicht aufwendig gegenüber dem Zug isoliert werden."
Derart analytisch gehen längst nicht alle Gründer zu Werke, wie Günter Faltin sagt, der an der Freien Universität Berlin den Arbeitsbereich Entrepreneurship aufgebaut hat. "Viele Menschen glauben, dass am Beginn einer unternehmerischen Erfolgsgeschichte eine Erfindung stehen muss. Der Rest sei dann nur noch eine Frage der Umsetzung." Aber das sei falsch. "Viele Gründer scheitern, weil ihre Idee nicht ausgereift ist."
Jungunternehmer müssten aus einem originellen Einfall oder einer technischen Erfindung ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln. "Und zwar systematisch", sagt Faltin. Das Wichtigste sei der Blick auf den Markt. "Echte Entrepreneure sind nicht unbedingt Erfinder, sondern Menschen mit einem Gespür für die Bedürfnisse ihrer Kunden." Apple-Gründer Steve Jobs oder Facebook-Chef Mark Zuckerberg hätten zu Anfang auch bloß bekannte Techniken neu kombiniert.
Auf dem Weg zum passenden Geschäftsmodell erhalten angehende Unternehmer Hilfe von Gründerlehrstühlen oder Uni-Ausgründungen wie dem Münchner Projekt Unternehmertum, das auch die Faseroptiker von fos4X unterstützt hat. "Wir diskutieren mit den Gründern Geschäftsideen auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit", sagt Stefan Nardi-Hiebl, Leiter des Bereichs New Venture Creation. "Manchmal müssen wir sie auch mit der Realität konfrontieren. Viele Gründer stellen sich zu spät die Frage, welchen Mehrwert ihr Produkt eigentlich für den Kunden bietet."
Gerade Ingenieure neigten dazu, ausgiebig an technischen Finessen zu feilen, für die Kunden nicht bereit sind zu zahlen. "Ab und zu muss sich ein Unternehmer von einer liebgewonnenen Idee auch trennen können." Große Wagniskapitalgesellschaften erhielten pro Jahr bis zu 1500 Businesspläne, schätzt Nardi-Hiebl. Sie finanzieren aber nur zwei oder drei.
Der erste Schritt: Die Idee wird ausgearbeitet, um auszuloten, ob sich darauf ein Geschäft aufbauen lässt. Entrepreneurship-Forscher Faltin erläutert diese Phase gerne am Beispiel eines Unternehmens, das er selbst gegründet hat - der "Teekampagne". Auf Reisen in Entwicklungsländern stellte Faltin fest, dass Agrarprodukte wie Kaffee und Tee dort nur ein Zehntel dessen kosteten, was europäische Supermärkte dafür verlangten.
Das störte ihn. Er fand heraus: Das Material für Kleinpackungen und die komplexen Vertriebswege waren schuld. Also Material sparen und Tee direkt vertreiben? In Großpackungen müsste der Tee aber haltbar sein. Faltin fragte Händler: Zwei bis drei Jahre bleibt Tee genießbar. Damit sich der Direktvertrieb lohnte, müssten Kunden sich aber mit einer Sorte begnügen. Faltin fragte wieder herum, kam auf die Idee, einfach nur einen ganz besonders exklusiven Darjeeling-Tee anzubieten. Die simpel klingende Idee brauchte mehr als drei Jahre, bis sie ausgereift war. Heute verkauft er 400.000 Kilo Tee pro Jahr.
Leitfaden und Leinwand
Im Fall der Teekampagne besteht die Geschäftsidee aus dem neuen Vertriebsweg. Der kommt ansonsten erst im zweiten Schritt dran. Gründer müssen sich etwa überlegen: Wie bringe ich mein Produkt zum Kunden? Welche Bezahlmodelle biete ich an? Vermiete oder verkaufe ich? Welche Lieferanten und Mitarbeiter werden gebraucht? Welche Ausrüstung? "Da muss man sich zwingen, strukturiert zu überlegen, was am besten funktioniert", sagt Alexander Osterwalder, Autor des Buchs "Business Model Generation". Er hat ein Verfahren entwickelt, das Gründern helfen soll, keinen Aspekt des künftigen Geschäftsmodells zu vergessen - den "Business Model Canvas". Auf einer Leinwand sollen Gründer notieren, wie etwa die Module "Kostenstruktur", "Kundensegmente" und "Vertriebskanäle" aufeinander wirken. "Man erhöht so die Erfolgswahrscheinlichkeit", sagt er.
Zu diesem zweiten Schritt gehört auch eine Marktanalyse. Die Gründer von Bestsens aus Coburg haben darauf sehr viel Zeit verwendet. Sie hatten sich ein neues Verfahren patentieren lassen, das akustische Wellen erzeugt und misst. Nach einigen Versuchen fanden sie heraus, dass sich damit sehr gut die Ölfilme in den Lagern von Maschinen überwachen lassen - ohne genügend Öl können sie zerstört werden, und die Maschine steht still.
"Wir haben im Internet recherchiert, mithilfe von Branchenberichten ausgerechnet, wie hoch die durchschnittlichen Maschinenpreise sind", sagt Lars Meisenbach, heute für Marketing, Vertrieb und Personal zuständig. Anschließend sprachen sie Unternehmen in der Region an, bei denen ein Ausfall durch Lagerschäden so kostspielig würde, dass sich ein zusätzlicher Ölsensor lohnen könnte. "Wir haben dabei auch gelernt, dass viele Unternehmen keine Leute haben, um solche Sensoren in Betrieb zu nehmen", sagt er. Den passenden Service bietet Bestsens jetzt ebenfalls an.
Heute können Gründer einfach und günstig Marktforschung betreiben. Sie erstellen eine Website, auf der sie potenzielle Kunden durch einen Onlinefragebogen führen. "Wären Sie bereit, 100 Euro für dieses Produkt zu bezahlen?", könnte dort stehen. Damit alles verbindlicher wird, müssen Interessenten ihre E-Mail-Adresse angeben oder vorbestellen. Um Nutzer auf die Seite zu locken, können Gründer Werbung in sozialen Medien machen oder bei Google inserieren. Das Ergebnis solcher Umfragen zeigt zumindest, ob eine Idee auf Interesse stößt. Silicon-Valley-Gründer Steve Blank hat dafür den Begriff "Customer Development" geprägt.
Die Tests und Kundengespräche sind ein erster "proof of concept" und zeigen, ob das Geschäftsmodell funktioniert. Im dritten Schritt folgt schließlich der Businessplan. "Darin schreiben Gründer ihre Erkenntnisse auf, tragen Testergebnisse und Marktrecherchen zusammen, um zum Beispiel Geldgeber zu überzeugen," sagt Autor Osterwalder. Wer seine Idee erst einmal zu einem guten Geschäftsmodell weiterentwickelt hat, ist er überzeugt, für den schreibt sich der Businessplan fast wie von selbst.
  • Aus der FTD vom 04.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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