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Merken   Drucken   04.09.2012, 07:53 Schriftgröße: AAA

Urteil der Woche: Passagiere dürfen ohne Gepäck fliegen

Schadensersatz bei verpasstem Anschlussflug: Auch wenn das Gepäck beim Umsteigen noch nicht angekommen ist, muss die Airline pünktliche Fluggäste mitnehmen. von Antje Krenkel
 
Antje Krenkel ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Kanzlei Grigo & Krenkel in Berlin.
BGH vom 28.08.2012
AZ.: X ZR 128/11

Der Fall
Der Kläger buchte eine Pauschalreise nach Curaçao. Der Hinflug von München über Amsterdam nach Curaçao sollte von einer deutschen Fluggesellschaft ausgeführt werden. Geplante Ankunft in Amsterdam war 11.15 Uhr. Der Weiterflug nach Curaçao sollte um 12.05 Uhr erfolgen.
Beim Check-in in München erhielt der Passagier bereits die Bordkarten für den Anschlussflug Amsterdam-Curaçao ausgehändigt. Da sich der Zubringerflug nach Amsterdam verspätete, kam er erst um 11.35 Uhr in Amsterdam an. Zwar erreichte er das Abfluggate des Anschlussflugs innerhalb der geplanten Einstiegszeit. Dennoch wurde ihm der Einstieg in das Flugzeug verwehrt, da sein Gepäck noch nicht umgeladen war. Der Passagier konnte erst am nächsten Tag nach Curaçao fliegen.
Das Urteil
Der Kläger verlangte für sich und acht Mitreisende, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten hatten, jeweils 600 Euro wegen der Nichtbeförderung sowie Ersatz seiner Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat das bestätigt. Hiergegen hat der Kläger Revision beim BGH eingelegt.
Anders als die beiden Vorinstanzen geht der Bundesgerichtshof (BGH) davon aus, dass dem Kläger wegen der Nichtbeförderung ein Anspruch auf Entschädigung aus der Fluggastrechteverordnung zusteht. Der BGH verurteilte die Fluggesellschaft zur Zahlung von neunmal 600 Euro. Hinsichtlich der Ersatzansprüche für Unterkunft und Verpflegung wurde der Rechtsstreit zur erneuten Prüfung an das OLG zurückverwiesen.
Die Folgen
Mit seinem Urteil hat der BGH die Rechte von Fluggästen gestärkt. Passagiere müssen künftig auch dann mit einem Anschlussflug befördert werden, wenn ihr Reisegepäck wegen Verspätung des Zubringerflugs erst mit einem späteren Flug transportiert werden kann. Solange sie den Flugsteig des Anschlussflugs innerhalb der Einstiegszeit erreichen, müssen sie mitgenommen werden.
Die Fluggesellschaft, die den Weiterflug verweigert hatte, argumentierte mit Sicherheitsbedenken bei der Beförderung von Fluggästen ohne Gepäck. Ein Passagier dürfe nur zusammen mit seinem Gepäck befördert werden. Eine entsprechende Regelung wurde nämlich von der EU unter anderem als Konsequenz des Lockerbie-Anschlags beschlossen. Die Vorinstanzen stellten deshalb die Sicherheitsgründe über das Recht des Fluggasts auf Weiterbeförderung.
Der BGH hingegen urteilte, dass kein Sicherheitsrisiko gegeben sei. Entscheidend sei, dass dem Fluggast bereits die Bordkarte für den Anschlussflug Amsterdam-Curaçao ausgehändigt war und er sein Gepäck bereits in München aufgegeben hatte. Dort hatte das Gepäck einen Sicherheitscheck durchlaufen. Da der Fluggast beim Umsteigen keinen Einfluss mehr auf sein Gepäck habe, dürfe ihm die Weiterbeförderung nicht verwehrt werden.
Wird einem Passagier also künftig der Weiterflug verweigert, obwohl ein Einstieg noch möglich ist, kann er von der Airline bei allen Flügen bis zu einer Entfernung von 1500 Kilometern Ausgleich in Höhe von 250 Euro verlangen, bei Strecken von 1500 bis 3500 Kilometern 400 Euro. Bei allen übrigen Flügen gibt es eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro.
Sofern die Passagiere den Anschlussflug wegen der Verspätung des Zubringerflugs allerdings nicht innerhalb der Einstiegszeit erreichen, kommt es für die Frage der Ausgleichszahlung darauf an, ob der Zubringerflug annulliert wurde oder Verspätung hatte. Der BGH geht nämlich davon aus, dass Fluggäste bei Annullierung des Zubringerflugs Anspruch auf Ausgleichszahlung für die gesamte Flugstrecke haben. Verpassen sie den Anschluss hingegen wegen der Verspätung des Zubringers, wird den Passagieren derzeit noch der Ausgleich mit der Begründung verwehrt, sie seien nicht rechtzeitig zum Boarding für den nächsten Flug erschienen (BGH, Az.: Xa ZR 78/08).
 
 
  • Aus der FTD vom 04.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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