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Merken   Drucken   07.09.2012, 00:00 Schriftgröße: AAA

Versicherungskolumne: Opportun ist, was man braucht?

Kommentar In der Debatte um demografischen Wandel und Altersarmut vergessen Politiker, dass es in Deutschland schon ein Sozialversicherungssystem gibt, das ausreichende Reserven hat: die private Kranken- und Pflegeversicherung. Hier spart jeder Versicherte für den eigenen Bedarf. von Walter Botermann 
Walter Botermann ist Chef der Versicherungsgruppe Alte Leipziger-Hallesche
Die rechtliche Lage ist eindeutig: Nach der Höhe der Reserven ist der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dies geschieht jedes Jahr und hat für die Folgeperioden Auswirkungen auf den Bundeszuschuss, den Beitragssatz von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie indirekt auf die Rentenhöhe. Nach diversen Rentenreformen ist dies die aktuelle Rechtslage und das zuständige Ministerium handelt entsprechend. Rechtslagen sind jedoch keine Wahlgeschenke.
Angesichts des heraufziehenden Wahlkampfs passt dies aber anscheinend nicht allen Beteiligten. Zwar ist die Rentenreserve ausreichend, der Beitrag könnte um 0,6 Prozentpunkte auf 19 Prozent und der Bundeszuschuss um zirka 1 Mrd. Euro gesenkt werden. Die Arbeitskosten würden sich reduzieren und die Arbeitnehmer entlastet. Doch all dies braucht natürlich ein Oppositionspolitiker nicht; es ist für ihn nicht opportun.
Aus leicht nachvollziehbaren Gründen wird daher ganz schnell das Thema Demografiereserve in die Rentendiskussion eingebracht. Leider wurde hier das kleine Einmaleins übersehen, denn eine um 10 oder 20 Mrd. Euro höhere Rentenreserve ändert nichts an der fehlenden Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Es gibt heute nur ein Sozialversicherungssystem in Deutschland, welches diese Reserve hat. Dies ist die private Kranken- und Pflege-Versicherung. Hier muss nicht die nächste Generation die Gesundheitskosten der vorhergehenden Generation bezahlen. Vielmehr hat sie diese Mittel über Jahre und Jahrzehnte hinweg bereits selbst angespart. Aber auch diese Tatsache ist nicht für jeden opportun.
So ließ sich vor kurzem ein international erfolgreiches und bekanntes Beratungsunternehmen unwidersprochen in der Studie einer gesetzlichen Krankenversicherung zitieren, die PKV habe riesige Lücken in den Alterungsrückstellungen. Diese Peinlichkeit hätte man sich durch ein Gespräch mit den Aktuaren der Branche ersparen können.
Manchmal werden aus Opportunismus sogar die Grundrechenarten neu definiert. Die jährlichen Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen seien nur zu 18 Prozent durch reine Altersstruktureffekte bedingt, erklärt die aktuelle Studie einer Ersatzkasse. Dieser Effekt werde bis 2040 aber leicht zurückgehen. Vielleicht wird hier vermutet, die nichtgeborenen Kinder der Babyboomer-Generation bekämen doch noch Kinder und schlössen langsam die Demografielücke. Auch hier hätte ein kurzes Gespräch über die Entwicklung der Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten helfen können.
Wenn aktuell mit den Ärzten über eine Honoraranpassung verhandelt wird, scheint es hingegen opportun, die Ausgabensteigerungen in den Praxen zu verorten. Das ist bequem, weil man sich dann nicht mit der Frage beschäftigen muss, wer für die hohen Gesundheitskosten der älter werdenden Beitragszahler aufkommen soll. Denn momentan wird in der gesetzlichen Krankenversicherung für diese Versicherten keine Rücklage gebildet.
Wäre es nicht ehrlicher, den Gedanken zu überprüfen: Wer sind die Schwachen und wer sind die Starken? Für die Schwachen muss das Sozialversicherungssystem immer eine Lösung haben. Die Starken müssen aber ihrer Eigenverantwortung gerecht werden und Rücklagen für ihre Gesundheitskosten im Alter ansparen. Denn es ist nicht gerecht, wenn ein Single mit einem Nettomonatseinkommen von über 2.500 Euro nicht für sich selbst vorsorgt. Vielleicht ist aber auch dieser Gedankengang nicht opportun.
  • FTD.de, 07.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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