Die Krise markiert vielmehr den Übergang in neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zwischen "übergreifend" und "lokal", bei weitgehender Ausschaltung der "nationalen" Zwischenebene. Was die Politik nicht erreichte, erreicht nun die Schulden- und Euro-Krise: wirkliche, nicht mehr nur scheinbare Einheit. Die beiden anderen globalen Großmächte, die USA und China, dagegen versuchen, das Bestehende krampfhaft zu erhalten.
In Wirklichkeit aber ist die Ära der Nationalstaaten nicht nur in Europa zu Ende, sie ist auch in den
USA und
China, ja in der ganzen Welt im Umbruch - zu sehen am
Arabischen Frühling oder den Zusammenschlüssen größerer geopolitischer Räume in Lateinamerika oder
Afrika. Die Einsicht setzt sich transnational durch: Kleinere, über Grenzen fließende Gebiete kann man besser verwalten. Sie sind, wie die Statistiken der vergangenen Jahrzehnte international zeigen, wirtschaftlich und politisch erfolgreicher. Oder wie es der verstorbene Südtiroler Ökologe Hans Glauber einst propagierte: Kleiner ist besser, langsamer, schöner - in seinem Fall bezogen auf Südtirol und die Landeshauptstadt Bozen. Daher werden mittelfristig die europäischen Regionen autonomer werden und die Nationen zurücktreten.
Die neue Führungsmacht Deutschland ist gut beraten, dass damit entstehende neue europäische Bewusstsein nicht nur passiv, sondern aktiv mit hervorzubringen. Denn während bisher die Euro-Gewinnerstaaten sich verständlicherweise gegen Entnationalisierung und gemeinsame Haftung wehrten, erkennen sie nun aufgrund des sich dramatisch verlangsamenden Wachstums - nicht zuletzt wegen der Nachfrageausfälle in den Verliererstaaten -, dass Europa unausweichlich ist. Auch und gerade für die Gewinner!
Die Bundesregierung greift diese Entwicklung aus guten Gründen immer stärker aktiv auf. Der Gesamtprozess bietet Deutschland und Europa die Chance, ganz vorn in der globalgesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung dran zu sein - und zu bleiben. Europa, einschließlich Deutschland, kann nur noch eins sein - oder es wird gegenüber dem Aufstieg anderer großer geopolitischer Räume ins zweite oder dritte Glied zurückfallen.