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Merken   Drucken   25.09.2012, 06:00 Schriftgröße: AAA

Deutscher Mittelstand und Spanien: Startklar zur Übernahme

Jahrzehntelang haben viele Mittelständler Spanien gemieden. Doch gute Produkte und internationale Kunden lassen deutsche Unternehmen auf dem spanischen Markt zugreifen. von Birgit Jennen
Ein Einstieg in das krisengeschüttelte Spanien ist eine gewagte ...   Ein Einstieg in das krisengeschüttelte Spanien ist eine gewagte Investition - doch nicht so gewagt, wie viele vermuten
Die Nachricht erreichte Gunther Wobser um 24 Uhr. 1300 Kilometer entfernt in Barcelona hatten die Anwälte bis tief in die Nacht verhandelt. Einige Details müssten noch geklärt werden, sagte der Anwalt am Telefon. Sechs Stunden später war der Vertrag unterschriftsreif - die Übernahme war besiegelt. Dem deutschen Mittelständler Lauda gehörte nun ein Werk in Terrassa, nordwestlich von Barcelona.
"Eigentlich hatten wir mit unserem eigenen Betrieb in Deutschland mehr als genug zu tun", sagt Wobser, der als Gesellschafter die Geschäfte des Temperierspezialisten Lauda im baden-württembergischen Lauda-Königshofen führt. Die Auftragsbücher waren gut gefüllt. Doch im Mai 2011 kam plötzlich das Angebot: Ein spanisches Produktionswerk für industrielle Umlaufkühltechnik stand zum Verkauf - ideal für Lauda. "Das Angebot war einfach zu gut", meint der 41-Jährige: 8 Mio. Euro Jahresumsatz, 38 Mitarbeiter, technisch gut entwickelte Produkte und zudem noch einen internationalen Großkunden im Schlepptau, den Druckerhersteller Hewlett-Packard . Im Juli reiste Wobser von Lauda-Königshofen nach Barcelona. Seitdem schaut er jeden Monat im neuen Werk nach dem Rechten.
Nach langer Zeit rückt Spanien wieder in den Fokus deutscher Investoren
Während Spanien unter der Rezession leidet und Großinvestoren das Land meiden, greifen deutsche Mittelständler zu. Nicht nur Lauda ist Anfang des Jahres eingestiegen. Auch der Wuppertaler Bus-Innenausstatter Happich hat Ende Mai die spanische Traditionsfirma Auto Carrocerias Riu übernommen. Und der Duisburger Baustoffhersteller Xella hat für 15 Mio. Euro im nordspanischen Ohio eine Gipsfaserfabrik gekauft. Jahrzehntelang haben viele Mittelständler Spanien gemieden. Spanische Unternehmen waren, wenn überhaupt, nur teuer zu haben - Schwellenländer versprachen größere Wachstumschancen. Doch jetzt rückt die iberische Halbinsel wieder auf ihre Landkarte.
Marc Pelzer, Geschäftsführer des Buszulieferers Happich, hatte schon vor eineinhalb Jahren versucht, den spanischen Konkurrenten Auto Carrocerias Riu zu übernehmen. Riu war der einzige Wettbewerber vor Ort. In der Branche und bei den Kunden genoss der Zulieferer einen guten Ruf. Doch 2010 klopfte Pelzer an verschlossene Türen. "Wir sind mit unserem Angebot nicht sehr weit gekommen", sagt der Geschäftsführer.
Anzahl der Insolvenzverfahren in Spanien   Anzahl der Insolvenzverfahren in Spanien
1940 in Barcelona gegründet war Riu stolz darauf, ein spanisches Traditionsunternehmen zu sein. Und obwohl der Eigentümer Salvador Sansa Albert im Alter von gut 70 Jahren keinen Nachfolger hatte und einen Käufer suchte, wollte er an den großen Konkurrenten aus Deutschland nicht verkaufen. Fast zwei Jahre lang suchte Riu einen heimischen Investor - ohne Erfolg.
Denn mit der Wirtschaftskrise sind nicht nur die Umsätze spanischer Unternehmen eingebrochen. Viele Mittelständler sind so hoch verschuldet, dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als ausländische Investoren zu suchen. In den Boomjahren haben Spaniens Banken Mittelständler großzügig mit günstigen Krediten versorgt.
Hohe Zinsen lassen spanische Unternehmen um ihre Existenz ringen
Doch mit dem Ende der Krise folgte der Kahlschlag: Nach einbrechenden Umsätzen drehten Spaniens Banken den Geldhahn kurzerhand ab. Kredite werden jetzt oft nicht erneuert - oder nur zu hohen Zinsen. Viele Mittelständler ringen um ihre Existenz.
In solchen Fällen bekommt Georg Abegg von der Unternehmensberatung Rödl & Partner in Madrid oft einen Anruf: "Kannst du das Vertriebsteam fragen, ob sie wechseln würden?", will dann etwa sein Kunde aus Deutschland wissen. Oder sie bitten Abegg gleich, den Eigentümer zu fragen, ob er verkaufen will.
"Hätten wir noch ein paar Monate gewartet, hätte sich die wirtschaftliche Lage vielleicht so zugespitzt, dass das Unternehmen zum Schnäppchenpreis zu haben gewesen wäre", meint auch Happich-Chef Pelzer. Wie viel er für den spanischen Buszulieferer bezahlt hat, will er nicht sagen. Aber ein Schnäppchen sei es nicht gewesen. Darauf kommt es Pelzer aber auch nicht unbedingt an: "Der bisherige Eigentümer hat uns anfangs geholfen, bei den neuen Kunden Fuß zu fassen. Das war uns sehr wichtig."
Ein Einstieg in Spanien mitten in seiner schwersten Wirtschaftskrise ist eine gewagte Investition - doch nicht so gewagt, wie viele vermuten. Das Geschäft deutscher Mittelständler in Südeuropa läuft längst nicht so schlecht, wie die Presse suggeriert. Laut einer Studie der DZ Bank unter 1000 deutschen Mittelständlern konnten 58 Prozent der in Spanien und Italien engagierten Unternehmer ihre Erlöse in den vergangenen zwei Krisenjahren stabil halten.
Zwei Drittel der in Südeuropa tätigen Mittelständler gehen davon aus, dass die Erlöse auch bis zum Sommer nächsten Jahres nicht einbrechen werden. Und so erwägt jedes vierte Unternehmen, das bereits in Spanien oder Italien aktiv ist, dort weiter zu expandieren. Von den Mittelständlern, die das Südeuropageschäft nur aus der Presse kennen, würden nur 14 Prozent einen Einstieg in Südeuropa erwägen.
Es ist wichtig den Markt genau zu kennen
"Die Firmen, die in Spanien einsteigen, kennen den Markt meist sehr genau", sagt Unternehmensberater Abegg. Diese beobachten ihre Konkurrenten seit Jahren und sind nicht nur über deren Produkte im Bilde. Meist können sie auch gut einschätzen, ob der Wettbewerber nur unter einer momentanen Kreditklemme oder Umsatzflaute leidet oder ob dessen Probleme struktureller Natur sind. Kurzum: Deutsche Mittelständler, die in Spanien expandieren, erkennen ohne Marktforschung, wann ein gutes Unternehmen zu haben ist.
Für Happich und auch für Lauda läuft die Übernahme in Spanien nach Plan. Das Werk in Barcelona sei nach dem Zusammenschluss der beiden Unternehmen nun ausgelastet, sagt Happich-Geschäftsführer Pelzer. Der Umsatz habe sich sogar besser entwickelt als gedacht. Und so steuert Pelzer auf sein eigentliches Ziel zu: Von Spanien aus will er nach Afrika und Lateinamerika expandieren. In den kommenden Monaten sollen dafür neue Mitarbeiter eingestellt werden.
Das hat Lauda bereits getan. "Wir haben den Trend einfach umgedreht", sagt Wobser. Die Firma holt keine Ingenieure nach Deutschland, sondern geht selbst nach Spanien, um die Ingenieure vor Ort einzustellen. Diese seien nicht nur gut ausgebildet, das Gehaltsniveau sei auch deutlich niedriger als in Deutschland.
Und das Sprachproblem haben nun nicht die neuen Mitarbeiter, sondern der Geschäftsführer. Wobser büffelt bereits fleißig Spanisch. "Eine solche Gelegenheit ergibt sich nicht oft", sagt er mit Blick auf das Werk in Terrassa: gute Produkte, internationale Kunden und gute Mitarbeiter. Da habe er einfach zugreifen müssen.
  • FTD.de, 25.09.2012
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