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Agenda: Das Wunder von Island - entzaubert

Premium Vor vier Jahren kollabierte das isländische Bankensystem. Dann brachte die Regierung die Wirtschaft mit ungewöhnlichen Mitteln wieder in Schwung - weswegen Ökonomen das Land zum Vorbild für andere Krisenstaaten erklärten. Dabei droht schon wieder die nächste Blase. von Claus Hecking Reykjavik

Es ist ein Morgen, wie ihn der Minister liebt. Wolkenlos der Himmel über seinem Amtssitz, gleich gegenüber blitzt die Fassade der Harpa in der Herbstsonne. Tiefblau, violett, türkisgrün funkeln die Glaswaben des neuen Konzerthauses von Reykjavik. Touristen recken Köpfe, zücken Kameras, treten ein in das quaderförmige Gebäude, das zum Wahrzeichen von Islands Wiederauferstehung werden soll. Steingrimur Sigfusson nickt wohlwollend, klopft sich ein paar Krümel Schnupftabak auf den Handrücken. "Unsere Entscheidung war richtig, die Harpa zu bauen", sagt der Wirtschaftsminister und zieht die Prise schnell die Nase hoch.

Die Harpa ist Sigfussons Vorzeigeprojekt. Sie soll den Wählern beweisen: Alles wird wieder gut. Genau vier Jahre ist es her, da brachen Islands drei wichtigste Banken fast gleichzeitig zusammen - und mit ihnen die irren Pläne einiger Finanzjongleure, die genau hier allen Ernstes ein "World Trade Center" für ihre 322.000-Einwohner-Insel errichten wollten. Nur Notkredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der nordischen Nachbarn retteten Island damals vor dem Bankrott. Das "World Trade Center" wurde zur Bauruine; jahrelang gammelten Betongerippe vor sich hin. Dann aber pumpten Staat und Stadt 18 Mrd. Kronen (rund 115 Mio. Euro) in die Fertigstellung - trotz aller Finanznöte und Proteste der Gegner, die neue Geldverschwendung witterten. Mittlerweile läuft beides: das Konzerthaus und Islands Wirtschaft. So zumindest sieht es die Regierung.

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Aus der FTD vom 27.09.2012
© 2012 Financial Times Deutschland,

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