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  FTD-Serie: Richtig gründen

Die Geschäftsidee ist genial – aber das reicht noch lange nicht, um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. In unserer Serie zeigen wir, was Existenzgründer beachten müssen, wo die größten Aufgaben und die bösesten Fallen liegen.

Merken   Drucken   25.09.2012, 18:00 Schriftgröße: AAA

Gründung: In eigener Mission

Marketing ist unverzichtbar, um Kunden zu erreichen. Am Anfang steht die Frage: Was will ich eigentlich sagen?
© Bild: 2012 FTD/Eva Wasari
Marketing ist unverzichtbar, um Kunden zu erreichen. Am Anfang steht die Frage: Was will ich eigentlich sagen? von Olaf Wittrock
Billiglohn? Kinderarbeit? Pestizide in der Baumwolle? Das kann doch keiner mehr wollen, dachten sich Martin Höfeler und Anton Jurina, die Gründer des Modelabels Armedangels. Mit sechs bedruckten T-Shirts fingen die beiden BWL-Studenten in der Küche einer Kölner Wohngemeinschaft an. Fünf Jahre später bringen sie jährlich vier Kollektionen mit jeweils bis zu 400 Teilen heraus, alle mit dem bewaffneten Engel als Logo. "Wir wollen ökologisch fair Mode herstellen, die Spaß macht, ohne Batik und Birkenstock-Style", sagt Jurina. "Und die wir auch selbst gern tragen würden."
Wer so klar beschreiben kann, was er will, ist auf dem richtigen Weg. "Jeder Gründer sollte die Frage beantworten: Warum sollten Kunden ausgerechnet zu mir kommen? Wo also bin ich besser, schneller oder anders?", sagt der Marketingberater Dominic Multerer. Nur noch ein weiterer Friseur oder Dachdecker mit einer eigenen Firma zu sein, das reicht nicht. Es geht um den Unterschied, um das Besondere. Gefordert sind dabei vor allem Anbieter, deren Produkte oder Services sich kaum von anderen unterscheiden. Haare schneiden? Kann jeder Friseur. Dächer decken? Kann jeder Dachdecker. Worin besteht der Unterschied, was macht das Alleinstellungsmerkmal aus? Dieser Frage stellen sich Gründer ungern, hat Multerer festgestellt. Sie finden ihre Idee gut und gehen davon aus, dass ihre Zielgruppe dies selbstverständlich genauso sieht.
Und dann gehen sie pleite. Probleme bei der Kundenansprache und Markterschließung kennt jeder zweite gescheiterte Gründer, hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in einer Studie 2010 herausgefunden. Jeder vierte Gründer nannte in der Umfrage eine "unpassende Werbestrategie" als eine der Ursachen.
Dass der Erfolg nicht in erster Linie vom Angebot abhängt, sagt auch Till Friedrich. Er ist Partner bei der Unternehmensberatung Porsche Consulting und engagiert sich unter anderem beim Deutschen Gründerpreis. Entscheidend seien vielmehr der Gründer und sein Team: "Am Ende macht oft die Person selbst den Unterschied in der Akquise", sagt Friedrich. "Es kommt also auf den Mehrwert an, den mein eigener Einsatz dem Empfänger bringt."
Internet ist kein Heilsbringer
Erst wer die "Wer bin ich?"-Phase abgeschlossen und die angestrebte Position auf dem Markt benennen kann, kann erfolgreich operatives Marketing betreiben. Wobei die Frage nach dem richtigen Medium oder Instrument zweitrangig ist, sagt Berater Multerer: "Das Internet allein macht jedenfalls beim Marketing sicher nur in wenigen Branchen glücklich." Es sei nur ein Kanal unter vielen.
Die Kölner Armedangels haben auf virales Marketing gesetzt - erst einmal analog. "Wir haben Pakete an prominente Schauspieler geschickt, ein T-Shirt und eine Kamera dazu gepackt und sie gebeten, uns Fotos zurückzuschicken", erzählt Jurina. So gewann das Unternehmen die Schauspielerin Cosma Shiva Hagen und den Fanta-Vier-Musiker Thomas D. als Markenbotschafter.
Eine andere Idee, auch aus der Not geboren: In Berlin nahmen die Gründer einen Hochdruckreiniger und eine große Schablone ihres Engellogos. In dieser Silhouette sprühten sie die Fußwege vor Boutiquen sauber. "Die Resonanz auf die Engel selbst war gar nicht so groß", sagt Jurina. "Aber das Video, das wir von der Aktion gedreht haben, wurde im Internet oft angeschaut."
Glaubwürdige Promis und saubere Graffitis, dachten die Gründer, würden gut zu ihrer Marke passen. Sie folgten ihrem Gefühl, statt viel Geld in Anzeigen, Kataloge oder Mediapläne zu stecken. Inzwischen zählen die Modeläden, die Armedangels verkaufen, zu ihren wichtigsten Botschaftern. "Die Arbeit, die ein Boutiquenbetreiber für uns leistet, ist enorm", sagt Jurina. "Er dekoriert, sucht das Sortiment nach Trends aus, berät und erklärt dem Kunden die Marke."
Wenn Kunden ein Produkt anfassen oder erleben können, funktioniert die Markeninszenierung besonders gut, bestätigt Berater Multerer. "Marketing heißt für mich Kundenerlebnis. Es geht darum, ein gutes Gefühl zu erzeugen." Wer Kunden begeistern wolle, müsse sie daher überraschen und gern auch irritieren: "Für erfolgreiches Marketing muss ich Menschen in ihrem Verhalten stören. Das kann mit ganz kleinem Budget anfangen. Etwa damit, statt Weihnachtskarten Urlaubs- oder Ostergrüße zu verschicken", sagt Multerer.
Statt sich auf vielen Plattformen oder in mehreren Medien zu verzetteln, rät er, sich zunächst auf wenige Aktionen zu konzentrieren: "Wer anfängt, sollte vielleicht vier, fünf Kundenkontaktpunkte bespielen übers Jahr und dort gezielt Akzente setzen."
Das hat auch Sophie Utikal gelernt. 2009 gründete die Studentin in München die Internetseite Kleiderkreisel - ein werbefinanziertes, für die Nutzer kostenloses Tausch-, Verkaufs- und Verschenkportal für Mode. Die Idee zu dieser eher sozialen als kommerziellen Plattform stammt aus Litauen. Utikal adaptierte sie gemeinsam mit einer Schulfreundin für den deutschen Markt. Die Gründerinnen versuchten anfangs eine Menge, um kostengünstig auf sich aufmerksam zu machen. Sie verteilten Flyer und warben mit zahlreichen Beiträgen im Netz. Doch die vielen kleinen Schritte blieben ohne großen Erfolg.
Der stellte sich erst über gezielte Aktionen ein: Zunächst kam Kleiderkreisel mit mehreren Modebloggern in Kontakt. Die schreiben nicht nur, sondern verkaufen zuweilen selbst entworfene Klamotten über kleinere Shops - und nutzen dazu inzwischen auch die Münchner Plattform. "Wenn die heute für ihre Sachen werben, machen sie automatisch auch für unsere Seite Werbung", sagt Utikal. Inzwischen bloggen auch mehrere der so gewonnenen Partner direkt auf der Seite.
Im vergangenen Jahr lud Gründerin Utikal zu Modetauschpartys ein: "Zu den ersten Treffen ist kaum einer gekommen", sagt sie. "Aber dann haben wir die Veranstaltungskalender der Stadtmagazine angeschrieben, auch eine Pressemitteilung verfasst." Ergebnis: Fast 700 Tauscher feierten, und viele gingen mit den Werbetaschen des Portals nach Hause.
All diese Aktionen haben sich Utikal und ihr Team selbst ausgedacht. "Wir haben Anfang des Jahres auch mal versucht, mit einer Werbeagentur zusammenzuarbeiten", sagt sie. "Aber dann haben wir festgestellt, dass wir überhaupt nicht erklären konnten, wer wir sind." Es gab also noch viel zu lernen.
Anfang September luden die Kleiderkreisel-Macher den Mitarbeiter einer Kommunikationsagentur zum Markenworkshop ein. "Da haben wir zum ersten Mal strategisch über Konkurrenz, Unterscheidungsmerkmale und unsere Zielgruppe nachgedacht", sagt Utikal. "Jetzt haben wir sogar ein Mission Statement." Anders gesagt: Sie wissen jetzt, wer sie sind.
  • FTD.de, 25.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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