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Merken   Drucken   26.09.2012, 20:23 Schriftgröße: AAA

Vereinte Nationen: Ahmadinedschads letzte Show vor der Uno

Im kommenden Jahr endet die Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad im Iran. Seinen letzten Auftritt vor der Uno-Vollversammlung nutzt der Machthaber, um seinen Staat als Opfer der Vereinten Nationen darzustellen. Auch einen Angriff auf Israel kann er sich nicht verkneifen.
© Bild: 2012 DPA/Bildfunk/Sven Hoppe
Im kommenden Jahr endet die Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad im Iran. Seinen letzten Auftritt vor der Uno-Vollversammlung nutzt der Machthaber, um seinen Staat als Opfer der Vereinten Nationen darzustellen. Auch einen Angriff auf Israel kann er sich nicht verkneifen. von Silke Mertins  und Joachim Zepelin  Berlin
Der Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon hat ihn extra noch gewarnt: Mahmud Ahmadinedschad solle an die "schädlichen Folgen von Hetzrhetorik" denken und keine Hassrede schwingen. "Der Iran lebt unter der ständigen Bedrohung durch die Vereinten Nationen", sagte der iranische Präsident dennoch, als er am Mittwoch ans Rednerpult vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen trat. "Der Iran ist unter der ständigen Bedrohung, durch die unzivilisierten Zionisten zu militärischen Mitteln zu greifen." Der Iran ist das Opfer.
Er kann nicht anders. Schon seit dem Wochenende hat er sich mit einer Flut von Interviews und Presseterminen in New York auf seinen Auftritt vorbereitet. Schon deshalb, da es die letzte "Mahmud-Show" ist - im kommenden Jahr sind Präsidentschaftswahlen, und der 55-Jährige darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Mit ihm unter gehen seine Gefolgsleute und sein politisches Lager, die frömmelnden Nationalisten. Denn er ist bei dem obersten geistlichen Führer des Iran, Ali Chamenei, dem eigentlichen Machthaber, in Ungnade gefallen.
In New York denkt die große Mehrheit noch, dass er im Iran das Sagen hat. Diplomaten und die ganze Welt erwarteten angesichts der angespannten Lage im Atomkonflikt und in Syrien deshalb seine Rede. Um das Gefühl der Bedeutung auszukosten, ist Ahmadinedschad mit 140 Begleitern angereist - ursprünglich wurden sogar Visa für 160 Delegationsmitglieder beantragt. Allein die Hotelkosten im feinen Warwick-Hotel in der 54. Straße belaufen sich auf rund 1 Mio. Dollar. Die Kritik des Parlaments an den hohen Kosten wischte er - so hört es sich auf einem Video der BBC Persien an - mit den Worten beiseite, es gehe sie einen "Scheißdreck an".
Am Ende sind es 37 Minuten, die der Iraner für sein Vermächtnis bei der Uno braucht, mehr als doppelt so viel Zeit, wie ihm zusteht. Die letzten fünf Minuten davon nutzt er, um der Vollversammlung die Welt nach der baldigen Rückkehr des Messias in schillerndsten Farben zu schildern. Die drängendsten Probleme der Welt von heute lässt er beiseite: kein Wort zu Syrien, dem engsten Verbündeten, keines zum iranischen Atomprogramm. Es bleibt bei einer für seine Verhältnisse eher zahmen Anklage der Atommächte, die das Weltgeschehen allein bestimmten und zu keinen Lösungen in der Lage seien.
Der sonst übliche Auszug der westlichen Delegationen entfiel daher. Die israelische Delegation war wegen Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ohnehin nicht anwesend. Auch die US-Vertreter blieben von Anfang an fern. "In den letzten Tagen hat Herr Ahmadinedschad seine Reise zur Uno wieder einmal nicht genutzt, um die berechtigten Forderungen des iranischen Volkes vorzubringen", hieß es aus dem US-Außenministerium.
Vollversammlung in New York Provokateure vor der Uno
Die Außenminister der 5+1 genannten Staaten - die Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats plus Deutschland -, die mit dem Iran die Atomverhandlungen führen, wollen sich am Donnerstag zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder treffen, um Einigkeit zu demonstrieren. Die EU hat angekündigt, übernächste Woche härtere Sanktionen zu verhängen. Der iranische Präsident hat in Sicherheits- und Verteidigungsfragen ohnehin kaum Mitspracherecht: Die Außenpolitik wird von Chamenei und ihm unterstellten Gremien festgelegt.
Trotz der gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen der Sanktionen macht Ahmadinedschad sich aber über die Gespräche lustig. Wieso die noch immer 5+1 genannt würden? Jedes Schulkind im Iran wüsste doch, dass 5+1 sechs ergebe! Auf den Witz bei einem Pressefrühstück mit US-Journalisten, so berichtet die "Miami Herald", folgte eisiges Schweigen.
Ahmadinedschad ficht das nicht weiter an. The show must go on. Auch wenn seine Amtszeit im kommenden Jahr ausläuft, hat er weitere Besuche bei der Vollversammlung der Uno - ohne diesen Anlass würde er niemals ein Visum bekommen - angekündigt: als Mitglied der Delegation des künftigen Präsidenten. Denn auch wenn er sich künftig der Wissenschaft widmen wolle, "heißt das nicht, dass ich mich völlig von der Politik trennen werde".
  • Aus der FTD vom 27.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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