Die Branche spricht von einer "digitalen Revolution" und "Fashion 2.0". Hauptrollen spielen die sozialen Netzwerke und eine inzwischen gewaltige Anzahl von professionellen Blogs, die jeden Tag neuen Content liefern. Die Nachfrage nach Trends ist riesig. Während der Modewochen im Februar und Juli steigen die monatlichen Visits auf
Style.com von 182 auf 247 Millionen. Das Tageshoch liegt nach Angaben des bedeutenden Modeportals bei 9,5 Millionen Besuchern während der New York Fashion Week. Ein Rekord, den Style.com nicht nur den Laufsteglooks, sondern auch dem Fotografen Tommy Ton verdankt, den es für die Fotokolumne "Street Style" verpflichtet hat. Der Fashion-Paparazzi lichtet prominente Schauenbesucher in ihren Front-Row-Looks ab, häufig Musterteile der präsentierten Kollektionen. Seine Bilder werden tausendfach gepostet. In diesen Momenten, durch die ein Trend ein Trend wird, entsteht die Kauflust. Und genau hier setzt Pre-Order an. Man kann die Trends zwar nicht gleich nach Hause tragen, aber man darf sie vor allen anderen reservieren.
"Einzelhändlern fehlt der Mumm"
Auch der
amerikanische Onlineshop Moda Operandi, kurz M'O, hat diesen Bedarf erkannt. Der sogenannte Pretailer wirbt mit dem Slogan "Tomorrow's Fashion Today". Von den über 100.000 registrierten Kunden gibt M'O zufolge jeder pro Einkauf durchschnittlich 1400 Dollar aus, während der Modewochen sogar 1800 Dollar.
Zwei Frauen haben den Shop erfunden: die Stylistin und Designermuse Lauren Santo Domingo und Aslaug Magnusdottir, Absolventin der Harvard Business School. "Ich habe immer wieder von Modemachern gehört, dass ihre tollsten Kollektionsteile nicht in Serienproduktion gehen, weil Einzelhändlern der Mumm fehlt, sie zu bestellen", sagt die gebürtige Isländerin. "Freunde erzählen mir dagegen, wie sehr sie diesen oder jenen Laufsteglook mochten, ihn aber nirgends kaufen konnten."
Viele Designer misstrauten dem E-Commerce
Im Februar 2011 ging M'O online. Maximal 48 Stunden nachdem eine neue Kollektion bei Style.com zu sehen war, startet auf der Shopseite eine entsprechende Show. Drei bis sieben Tage lang können die Kunden die Looks der übernächsten Saison bestellen, auch jene Kreationen, die nie in Boutiquen hängen werden.
"Bei uns kann man sich sein Lieblingsteil sichern, egal welche Größe man trägt, wo man wohnt und wie schwer der Designer zu finden ist", wirbt Magnusdottir für das Konzept. Der Kunde zahlt 50 Prozent des Kaufpreises an, der Rest wird bei Lieferung fällig. Drei bis sechs Monate beträgt die Wartezeit,
so schnell wie Burberry ist M'O noch nicht. Rückgaben sind nur gegen Gutschrift möglich, Erstattungen ausgeschlossen. Anfangs war der Einkauf bei M'O noch an eine Klubmitgliedschaft geknüpft, denn viele Designer misstrauten dem E-Commerce. Welche Frau kauft schon ein 1000-Dollar-Kleid, wenn sie es weder anprobieren noch anfassen kann? Inzwischen sind die Bedenken zerstreut.