Bei einem Airbus A 319 der Fluggesellschaft Germanwings kam es im Dezember 2010 zu einem gefährlichen Zwischenfall
Außerdem meldet nahezu jeden Monat eine von Deutschland aus fliegende Linie eine Störung durch Ölgeruch in der Kabinenluft. Dies geht aus den Monatsberichten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hervor. Die Schwere der Störung reicht von einer an der physischen Grenze handelnden Cockpit-Crew, die nach der Landung ins Krankenhaus muss, bis hin zum leichten Ölgeruch, der wieder verfliegt. So listet die BFU allein in diesem Jahr, mit Ausnahme des Februars, jeden Monat einen oder mehrere Zwischenfälle mit Ölgeruch in der Kabine oder dem Cockpit auf. Mehrmals mussten die Piloten Sauerstoffmasken aufsetzen. So kam es am 3. Juni 2012 zu einem Zwischenfall bei einem Flug von Frankfurt nach Hannover mit einem Airbus-Modell.
Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) und selber Flugkapitän, warnt seit Jahren vor den potenziellen Gefahren von Öldämpfen. "Es kann jede Fluggesellschaft treffen, die modernes Fluggerät einsetzt. Germanwings ist keine Ausnahme", sagte er der FTD. Dass Öldämpfe oder andere giftige Gase über die Lüftung in das Cockpit oder die Passagierkabine gelangen, gebe es immer wieder. Extreme Folgen wie Lähmungen seien selten. "Viele Kollegen haben sich wegen Ölgeruchs schon beschwert. Einige, die krank wurden, führen das auf häufige Vorfälle zurück. Nur ist ein Zusammenhang zwischen Krankheit und dem Öldampf in der Kabinenluft sehr schwer zu beweisen."
Mit dem Problem hat die Luftfahrt schon seit den 1960er Jahren zu kämpfen. Die Kabinenluft wird nämlich seitdem aus dem Verdichterteil des Triebwerks abgezweigt. Experten sprechen von der "Zapfluft". Eigentlich sollte dieser technische, kostengünstige Fortschritt keine Gesundheitsprobleme bereiten. Gegen verbranntes Öl zum Beispiel soll die Luft durch Dichtungen in den Triebwerken geschützt werden. Nur: die Dichtungen sind nicht immer zu 100 Prozent zuverlässig.
Auch wenn die Maschine noch am Boden ist und der Wind ungünstig weht, können Abgase eingesogen werden. Und wenn zu viel von den Dämpfen eingeatmet wird, können Übelkeit bis hin zu Lähmungen und Ohnmacht die Folgen sein. In der Branche gilt der sogenannte "Malmö Incident" als bisher schlimmster Vorfall. Im November 1999 waren bei einem Inlandflug in Schweden beide Piloten minutenlang handlungsunfähig. Nur dank der Sauerstoffmaske konnte der Co-Pilot bald wieder die Kontrolle übernehmen. Der Kapitän war sogar für etwa zehn Minuten bewegungsunfähig und konnte nicht mehr sprechen.
"Seit Mitte der 90er Jahre wird die Diskussion über das Problem international geführt. Politik und Unternehmen haben es aber lange ignoriert", sagt der Pilotenfunktionär. "Es ist für mich unbegreiflich, weshalb die europäische Zulassungsstelle EASA bisher keinen Handlungsbedarf sieht, obwohl sie auch von dem Germanwings-Vorfall seit Längerem weiß. Ganz offensichtlich ist sie in der Hand der Politik - und die scheut die Kostenlawine."
Auch an diesem Freitag ist wieder eine Initiative gegen die gefährlichen Dämpfe in der Politik gescheitert. Der Antrag der Grünen im Bundestag, gesetzlich dagegen vorzugehen, wurde mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition abgelehnt.