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In den kommenden drei Tagen spitzt sich die Praktiker-Krise damit auf einen einzigen, alles entscheidenden Moment zu - was angesichts des etwas mehr als ein Jahr schwellenden Notlage von Praktiker überraschend, aber notwendig ist. Denn Rucktäschels stiller Aufstieg ist die Folge eines nimmerendend wollenden Strategiehickhacks, bei dem drei Konzernchefs verschlissen, zwei gegensätzliche Strategien präsentiert und mindestens ein Investor in der Schlussphase der Verhandlungen abserviert wurden.
Noch im Januar hatte der damalige Interims-Chef Thomas Fox eine Aufwertung der Marke Praktiker angekündigt, die sowohl den strategischen Spielraum als auch das Investitionsbudget von Max Bahr eingeengt hätte. Das Konzept wurde in zwei Testmärkten in Heppenheim und Kaiserslautern umgesetzt, erprobt, dann allerdings begraben.
Umso erleichterter dürfte Rucktäschel über den Schwenk zugunsten von Max Bahr sein, der ihm in den kommenden eineinhalb Jahren in einem guten Dutzend Wellen 120 bessere der bisher 234 Praktiker-Filialen vor die Füße spielen soll - auch wenn schon der Vorzeigemarkt in Lüneburg viel über die Schwierigkeiten der Umflaggung verrät. Gut über eine Million Euro hat der Umbau der Filiale gekostet - obwohl sie beim Neubau 2007 sogar als Max-Bahr-Filiale geplant und erst kurz vor der Eröffnung zum Praktiker-Markt umgewidmet worden war. Deshalb ist sie gut gelegen und groß genug. Trotzdem lagerte in zu engen Gängen das falsche Sortiment, war der Markt schlecht ausgeleuchtet und wurde von unkundigen Mitarbeitern geführt, als Rucktäschel mit seiner Stabsabteilung Umbau anrückte. Zustände, die Rucktäschel überall vorfindet. Nach der ersten teuren Umbauwelle sucht die Abteilung jetzt nach Sparpotenzial - und will bei kommenden Umbauten standardisierter arbeiten und auf unnötige Einrichtungsteile verzichten.
Den entscheidenden Erfolgsfaktor aber werden erst die kommenden Wochen zeigen: wie die Kunden reagieren. In der relativ kleinen Kreisstadt Lüneburg tritt Max Bahr künftig mit zwei Märkten gegen sich selbst an. Rucktäschel erwartet, dass der neue dem alten Kunden wegnimmt. "Über beide Märkte werden wir in der Stadt so viel Umsatz haben wie bisher auch", sagt er. "Der Vorteil ist, dass wir bei Max Bahr eine höhere Rohertragsmarge erzielen". In Süddeutschland ist die Kundenreaktion noch schwieriger kalkulierbar, weil Praktiker hier zwar unbeliebt, aber immerhin bekannt ist, Max Bahr aber unbekannt.