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Merken   Drucken   26.09.2012, 10:45 Schriftgröße: AAA

Pariser Autosalon: Europas Autoindustrie vor Horrorjahr

Der Pariser Autosalon zeigt zwei  Gesichter. Vordergründig werden tolle Autos und phantastische Ideen präsentiert. Zeitgleich stimmen sich die Manager auf das Autojahr 2013 ein - es wird ein Schreckensjahr.
© Bild: 2012 DPA/Bildfunk/Uli Deck
Der Pariser Autosalon zeigt zwei Gesichter. Vordergründig werden tolle Autos und phantastische Ideen präsentiert. Zeitgleich stimmen sich die Manager auf das Autojahr 2013 ein - es wird ein Schreckensjahr.
Der Pariser Autosalon steht dieses Jahr unter schlechten Vorzeichen. Die Absatzkrise hat nicht nur Opel, Peugeot und Fiat voll erfasst. Auch Hersteller aus der Oberklasse wie Daimler geraten in den Sog. In dieser verzwickten Lage versuchen auch noch Rivalen aus Übersee, den hiesigen Autobauern Marktanteile abzuluchsen. Und manchmal kommt die Konkurrenz aus dem eigenen Konzern. Die Messe startet an diesem Donnerstag für das Fachpublikum - und das blickt besorgt in die Zukunft.
Eigentlich müsste Opel in diesem Jahr sein Firmenjubiläum so ...   Eigentlich müsste Opel in diesem Jahr sein Firmenjubiläum so richtig feiern
Wer die Absatzkrise in Europa nicht durch Verkäufe in anderen Regionen - beispielsweise in China - kompensieren kann, hat schlechte Karten. Opel, Peugeot und Ford werden in ihrem Europageschäft dieses Jahr vermutlich Milliardenverluste machen.
Im besonders von der Schuldenkrise gebeutelten Süden des Kontinents sind Autos aktuell nur schwer verkäuflich. Da nützen auch neue Modelle nichts, von denen auf dem Pariser Autosalon eine Menge vorgestellt werden. 100 Weltpremieren kündigen die Veranstalter des "Mondial de l'Automobile 2010" an. Der Pariser Autosalon ist eine der besucherstärksten Messen der Welt und wechselt sich jährlich mit der IAA in Frankfurt ab.
Renault zeigt in Paris seinen neuen Clio. Opel bringt den Lifestyle-Stadtflitzer Adam mit, der dem Citroën DS3 oder Fiat 500 Konkurrenz machen soll - aber eher als Nischenprodukt denn als großer Befreiungsschlag für den Autobauer angesehen wird. Ford stellt den neuen Mondeo vor, Citroën ein DS3 Cabrio. "Jede Menge neue Modelle, die eigentlich den Markt bewegen könnten - wenn da nicht die Schuldenkrise wäre", kommentiert Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Es müssten mehr Autofabriken geschlossen werden
Eigentlich müssten die Konzerne angesichts der massiven Überkapazitäten weitere Werke schließen. Doch kein Automanager wolle sich und seinen Kunden die Messe mit düsteren Ankündigungen verderben, hieß es vor Beginn des Treffens. Experten schätzen, dass branchenweit in Europa mindestens fünf Fabriken überflüssig sind.
Kursinformationen und Charts
  General Motors 22,75 USD  [-0.43 -1,86%
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Und an einigen Orten werden bereits Kapazitäten gekürzt. So legte Fiat 2011 ein Werk auf Sizilien still. Konzernchef Sergio Marchionne warnte jüngst, der italienische Autobauer könnte gezwungen sein, einen weiteren Standort zu schließen.
Die teils gereizte Stimmung in der Branche illustriert Marchionnes Angriff auf das Volkswagen-Management vor einigen Wochen. VW richte mit seiner aggressiven Preisgestaltung ein "Blutbad" unter den Konkurrenten an, polterte der Italo-Kanadier. Prompt kam aus Wolfsburg die Forderung, Marchionne solle von seinem Posten als Präsident des europäischen Herstellerverbandes Acea zurücktreten. Mit Spannung erwartet die Presse daher auch den Moment am Rande des diesjährigen Autosalons, wenn der Fiat-Chef beim turnusmäßigen Acea-Treffen auf VW-Boss Martin Winterkorn trifft.
Ansonsten dürfte Ratlosigkeit in Paris herrschen. Denn nach Meinung von Branchenbeobachtern könnte 2013 das schwächste Jahr der westeuropäischen Autoindustrie seit 1993 werden.
Autoexperte Dudenhöffer etwa rechnet mit 11,6 Millionen Autoverkäufen nach 11,9 Millionen in diesem Jahr. Sein Kollege, Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch-Gladbach, prognostiziert für die nähere Zukunft Krisenmanagement statt Aufbruchstimmung "Wir sehen mindestens in den kommenden vier bis fünf Jahren keine Rückkehr zum Absatz auf Vorkrisenniveau", meint auch Ian Fletcher, Analyst bei IHS Automotive.
PSA schließt Werk in Frankreich
Spektakuläre Einschnitte gab es bisher kaum. Schlagzeilen machte aber der PSA-Konzern in diesem Sommer. Der Autobauer, der mit den Marken Peugeot und Citroën extrem unter seiner Abhängigkeit vom schrumpfenden europäischen Markt leidet, will ein Werk bei Paris schließen, kündigte das Management an und zog damit viel Zorn auf sich. Landesweit sollen 8000 Jobs gestrichen werden.
Ist wegen des Preiswettbewerbs schlecht zu sprechen auf VW: ...   Ist wegen des Preiswettbewerbs schlecht zu sprechen auf VW: Fiat-Chef Sergio Marchionne
Mies ist die Stimmung auch bei Opel - daran ändert auch das 150-jährige Firmenjubiläum nichts. Nach Meinung von Fachleuten muss der Traditionshersteller mindestens ein Werk dichtmachen, nachdem vor zwei Jahren bereits die Fabrik in Antwerpen weggespart worden war. Ein neues Programm zur Kostensenkung wird bis Ende Oktober erwartet. Bis dahin hat die IG Metall dem Unternehmen die Lohnerhöhungen gestundet, um das von Schließung bedrohte Werk in Bochum zu retten. Dort stehen in dieser Woche die Bänder still, da auch andere Fabriken des Unternehmens eingeschränkt arbeiten und in Bochum deshalb Zulieferteile fehlen.
Die Opel-Mutter General Motors und PSA waren im Frühjahr eine Allianz eingegangen, um über Kooperationen etwa bei Einkauf und Produktentwicklung Kosten in Europa zu senken. Dass es - wie allgemein erwartet - auch Pläne für eine gemeinsame Fertigung gibt, verweist man in der Opel-Zentrale ins Reich der Fabeln. Noch. Branchenbeobachter meinen aber, dass zumindest über einen gemeinsamen Automobilbau nachgedacht wird. Laut darüber sprechen wolle man vermutlich nicht. Angesichts des geplanten Abbaus von Tausenden Stellen bei PSA in Frankreich käme es dort nicht so gut an, wenn französische Autos in Deutschland gefertigt würden.
Auch das Mercedes-Management kassierte jüngst das Gewinnziel des ...   Auch das Mercedes-Management kassierte jüngst das Gewinnziel des Autobauers
Lange Zeit sah es so aus, als sei eine Handvoll Unternehmen gegen die Absatzkrise in Europa immun. Dazu gehörte der in China extrem starke VW-Konzern,  und dazu zählten auch die Premiumhersteller Daimler , BMW  sowie die VW-Töchter Porsche und Audi. Und lange Zeit feierte dieser Auto-Adel Rekorde, während das Management der gebeutelten Kleinwagenhersteller schon wieder über Kurzarbeit oder Fabrikschließungen nachdachte.
Sogar Porsche schlägt vorsichtige Töne an
Seit jüngster Zeit aber mehren sich die Anzeichen, dass auch die Oberklassehersteller und der breit aufgestellte VW-Konzern die Krise zu spüren bekommen. VW-Tochter Porsche beispielsweise rechnet im nächsten Jahr nur noch mit stagnierenden Verkäufen.
Die deutschen Premiumautobauer wie etwa Audi sind besonders in China stark, wo die Verdienstspannen hoch sind. In jüngster Zeit verschärft sich dort in Asien aber der Wettbewerb zwischen den Herstellern, da die Wirtschaft nicht mehr so stark wächst wie vorher. In der Folge sinken die Preise. Auch auf anderen Märkten scheinen Premiumhersteller mehr Autos mit Rabatt in den Markt zu drücken, hieß es jüngst in der Branche.
Daimler kappte in der vergangenen Woche seine Gewinnziele, was Konzernchef Dieter Zetsche mit zunehmend schwierigen Marktbedingungen in Europa begründet, aber eben auch mit Problemen in China.
In Paris wollen sich die Schwaben jedoch nicht die Schau für die neue A-Klasse stehlen lassen, mit der sie gegen Europas Bestseller Golf punkten wollen. Rivale BMW zeigt auf der Messe die Studie eines Einser-Vans, mit der die Münchner ihren Angriff in der Kompaktklasse forcieren. Die Bayern blicken nach offizieller Lesart äußerst positiv in die Zukunft. "Wir streben 2012 unverändert beim Absatz sowie beim Konzernergebnis vor Steuern an, das Vorjahr zu übertreffen", hieß es vor wenigen Tagen aus der Konzernzentrale. Im Hintergrund sollen in München aber Gespräche mit den Arbeitnehmern laufen, um die Produktion flexibler zu gestalten. Damit bereitet sich der Autobauer auf mögliche Krisenzeiten vor.
Auch der noch gut dastehende Volkswagen-Konzern spielt auf dieser Klaviatur und informiert nur häppchenweise über die Auslastung seiner Fabriken. Erst kürzlich hatten die Wolfsburger eingeräumt, dass sie ihre Absatzpläne nach unten schrauben.
Im Vorfeld der Messe in Paris aber wollte der Konzern nicht verraten, wie genau sich die Absatzschwäche in Südeuropa auswirkt. Lediglich von "geringfügigen Anpassungen" war die Rede. In Paris soll die Bühne ganz dem Golf VII gehören, mit dem VW die Krone im Kompaktwagensegment gegen Daimler und BMW verteidigen will - und gegen die übrigen Kompaktwagenanbieter.
In Paris hat VW nicht nur die Konkurrenz genau im Blick. Der Marktführer muss zugleich darauf achten, dass er nicht zu sehr auftrumpft. Denn das könnte bei anderen Unternehmen, die stärker leiden, extrem unsympathisch wirken. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch rät deshalb, trotz der Erfolge nicht übermütig zu werden. Er soll jüngst vor "Hochnäsigkeit in den eigenen Reihen" gewarnt haben. Immerhin profitiert der Konzern von der Schwäche der anderen Massenhersteller und baut seinen Marktanteil in Westeuropa aus - in ersten acht Monaten auf 24,6 Prozent von 22,9 Prozent. Das könnte manchen bei VW zu dem Glauben verleiten, der Konzern sei immun gegen die Krise. Doch das ist vermutlich niemand. Die Misere trifft die Unternehmen nur unterschiedlich stark und zeitlich versetzt.
Hyundai-Kia gewinnt in Europa sogar während der Krise Marktanteile ...   Hyundai-Kia gewinnt in Europa sogar während der Krise Marktanteile hinzu
Ausgerechnet in der aktuellen Absatzkrise werden Europas Hersteller von Konkurrenten aus Übersee angegriffen. Angstgegner Nummer eins ist die südkoreanische Hyundai-Kia-Gruppe. "Die sind sogar für Volkswagen eine Bedrohung", sagt Autoexperte Bratzel. Während der europäische Pkw-Markt in Westeuropa im ersten Halbjahr um 7,5 Prozent geschrumpft sei, habe Hyundai-Kia um 18 Prozent zugelegt. Bei einem Absatz von knapp 370.000 Fahrzeugen im ersten Halbjahr haben die Koreaner auf dem hiesigen Kontinent immerhin einen Marktanteil von sechs Prozent. Und die Tendenz zeigt nach oben, während es für die Volumenhersteller wie dem PSA-Konzern, Opel oder Fiat tendenziell bergab geht.
Die Koreaner trumpfen in Deutschland auch deshalb auf, weil sie günstiger sind als die Rivalen - mittlerweile aber bei Qualität und Funktion mit vielen Konkurrenzmodellen mithalten können. Opel beispielsweise gilt als ein Unternehmen, dass hierzulande besonders stark von Hyundai-Kia in die Mangel genommen wird.
Chevy tritt gegen Schwestermarke Opel an
Zudem macht den Rüsselsheimern Konkurrenz aus dem eigenen Konzern das Leben schwer. So tritt die GM-Tochter und Opel-Schwester Chevrolet derzeit sehr aggressiv am europäischen Markt auf.
Galerie Opel gegen Chevrolet - eine Familienfehde
Manche Chevvy- und Opel-Modelle sind sich so ähnlich, dass Verwechslungsgefahr besteht. So zeigt beispielsweise ein Blick auf die Innenräume des Cruze und des Astra die identische DNA: Wären da nicht die Marken-Logos auf den Lenkrädern, wüsste man auf den ersten Blick nicht, um welches Fahrzeug es sich handelt. Astra und Cruze bauen auf der Delta-II-Plattform auf. Der Erfolg bleibt nicht aus - zumindest für die amerikanisch-koreanische GM-Tochter: Der Cruze zählt mit rund 21.000 Fahrzeugen im ersten Halbjahr 2012 zu den bestverkauften Chevy-Modellen in Europa.
Weitere Beispiele für extreme Ähnlichkeiten sind der Opel Insignia und der Chevrolet Malibu oder die Kompakt-SUVs Mokka von Opel und Trax von Chevy. Beide Modelle werben weitgehend technisch identisch um die Käufergunst. Das einzige Zugeständnis ist, dass der Opel schon im Oktober erscheint, während der Chevrolet erst im nächsten Frühjahr Europa seine Aufwartung macht.
  • FTD.de, 26.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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