Exklusiv
Präsident François Hollande schlägt Deutschland den gemeinsamen Aufbau einer Sperrminorität vor. So könnte der Staat seinen Einfluss indirekt sichern.
von Gerhard HegmannMünchen
und Claudia KadeBerlin
Frankreichs Staatspräsident François Hollande möchte mit der deutschen Regierung eine Sperrminorität im geplanten weltgrößten Luftfahrt- und Rüstungskonzern, EADS-BAE Systems, aufbauen. Mit einem Kapitalanteil von zusammen über 25 Prozent hätten die Staaten dann selbst in dem von EADS-Chef Thomas Enders geforderten privatisierten Großkonzern eine Blockademöglichkeit bei Schlüsselentscheidungen. Zudem sollen zusammen zwei Verwaltungsratssitze besetzt werden. Nach Informationen der FTD aus Verhandlungskreisen stößt der Vorschlag Frankreichs auf strikte Ablehnung der Briten. Zudem ist offen, ob sich Deutschland überhaupt der Idee von Hollande anschließt. Bei einem solchen Vorgehen könnte das Gesamtvorhaben platzen, heißt es in Industriekreisen.
Hinter der Idee von Hollande steht die trickreiche Überlegung, durch die Aktienstimmen eine latente Drohposition gegenüber dem Vorstand - und damit Einfluss - aufzubauen. Nach dem bisher vorgeschlagenen Modell sollen Großbritannien, Deutschland und Frankreich eine goldene Aktie zur Abwehr einer feindlichen Übernahme des Konzerns erhalten. Eine Mitsprache im Unternehmen ist nicht vorgesehen. Der größte privatisierte europäische und Rüstungskonzern BAE Systems funktioniert seit rund 30 Jahren mit dieser Struktur.
Der Vorschlag von Hollande zum Aufbau einer Sperrminorität setzt eine Bündelung der Kapital- und Stimmrechte der EADS-Gründungsaktionäre voraus - also des französischen Staates und der Mediengruppe Lagardère sowie auf deutscher Seite von Daimler und der Bankengruppe Dedalus. Deutschland und Frankreich kommen so aktuell auf je 22,5 Prozent. Weil die EADS-Aktionäre mit 60 Prozent an der geplanten EADS-BAE Systems-Gruppe beteiligt werden sollen, würden die Anteile auf je 13,5 Prozent verwässert. Zusammen ergäbe dies die Sperrminorität von 27 Prozent.
Um diese Position in zwei Händen - Frankreich und Deutschland - aufzubauen, wären komplexe Aktientransaktionen notwendig. So müsste der Medienunternehmer Arnaud Lagardère sein Restpaket von 7,5 Prozent an den französischen Staat verkaufen. Der 51-Jährige hat mehrfach betont, dass er bei passender Gelegenheit alle EADS-Aktien abstoßen will.
Dies würde Daimler die Chance eröffnen, die gesamten restlichen 15 Prozent am EADS-Kapitalanteil zu verkaufen. Im November 2011 hatte Daimler vereinbart, in diesem Jahr 7,5 Prozent seiner Anteile an die staatliche KfW Bankengruppe zu übertragen. Daimler wollte noch 7,5 Prozent am Kapital und 15 Prozent der Stimmrechte behalten. Doch der Verkauf an die KfW stockt aus mehreren Gründen. Damit Deutschland auf einen 22,5-Prozent-Kapital- und Stimmenanteil an EADS käme, müsste die KfW alle Daimler-Aktien und die beim Bankenkonsortium Dedalus geparkten EADS-Aktien aufkaufen. Aktueller Wert: grob 4,6 Mrd. Euro.
Ob dies so kommt, ist jedoch unklar. Der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, Peter Hintze, erklärte am Mittwoch im Bundestag, dass die Haltung der Bundesregierung zur Frage der Fusion "noch völlig offen" ist.
EADS verfolgt nach dem Auftritt von Vorstandschef Enders im Wirtschaftsausschuss des Bundestags die weitere Diskussion mit Spannung. Zu Detailfragen zum Einstieg bei den Briten muss sich der Konzern aus rechtlichen Gründen in der Angebotsphase zurückhalten. "Medienspekulationen können wir nicht kommentieren", erklärte am Donnerstag ein Konzernsprecher. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Der Ball ist im Feld der Regierungen. Wir warten jetzt auf deren Vorstellungen. Dann werden wir entscheiden, ob die Vorstellungen der Regierungen eine unternehmerisch sinnvolle Fusion erlauben oder nicht. Nur dann kann unser Projekt Realität werden."
EADS will sich offensichtlich auch nicht auf eine endlose Hängepartie bei den Entscheidungen einlassen. Wie es in der Branche heißt, besteht bei einem Platzen eines Zusammenschlusses von EADS mit BAE Systems die Gefahr, dass dann US-Konzerne bei den Briten einsteigen.
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