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Merken   Drucken   29.09.2012, 18:03 Schriftgröße: AAA

DAX-Analyse: Die 30 Blue Chips im Substanz-Test

Die Deutschen kaufen - trotz Krise - wieder Aktien. Den meisten geht es dabei gar nicht so sehr um Kursgewinne, sondern um Vermögenserhalt. Und da kommen nur besondere Werte infrage. Der DAX in der Substanzanalyse.
Hendrik Leber ist außer Atem, die Schritte stampfen, seine Sätze presst er mehr heraus, als dass er sie spricht. Doch wenn es um sein Lieblingsthema geht, greift der Fondsmanager selbst dann zum Telefon, wenn er gerade das Sennjoch in den Stubaier Alpen hinaufmarschiert. "Der Buchwert ist einer der aussagekräftigsten Kennziffern bei der Aktienanalyse überhaupt", schnauft Leber in sein Handy.
Weber muss es wissen, er gilt als Experte für die "Substanzstrategie". Knapp 100 akademische Studien aus sieben Jahrzehnten hat der Gründer von Acatis Investment ausgewertet und dabei festgestellt, dass eine einfache Anlagestrategie überaus erfolgreich ist: Wer sich auf die zehn Aktien des Standardwerteindex DAX mit dem günstigsten Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) konzentriert, erzielt im Schnitt 6,2 Prozent mehr Rendite als Anleger, die alle 30 Werte gekauft haben.
Gut zu wissen: Selbst in Zeiten größter Krisen markiert der ...   Gut zu wissen: Selbst in Zeiten größter Krisen markiert der Buchwert die Untergrenze für Kursverluste
Zahl der Aktionäre steigt
Der Buchwert - also das bilanzielle Eigenkapital eines Unternehmens, das sich aus Bargeld, Maschinen und Patenten zusammensetzt - ist für Leber neben der Dividendenrendite der wichtigste Faktor bei der Suche nach unterbewerteten Aktien: "Kennen Sie diese beiden Zahlen, dann wissen Sie alles Wichtige über einen Konzern, nämlich was drin ist und was rausfließt."
Dass die Substanz von Aktien zurzeit wieder stärker in den Blickpunkt gerät, liegt nahe. Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist allein im ersten Halbjahr 2012 um 1,5 Millionen auf 10,2 Millionen geklettert. Wer jetzt an der Börse einsteigt, spekuliert nicht auf exorbitante Kursgewinne, sondern will vor allem sein Vermögen erhalten.
In den vergangenen zehn Jahren ist der DAX nie unter den kumulierten Buchwert der 30 Indexmitglieder gerutscht. "Diese Kennziffer hat sich als tragfähiger Boden erwiesen", sagt Timo Carstensen, Senior Portfoliomanager bei Gothaer Asset Management. Und wenn sich der DAX dem Buchwert annäherte - etwa in der Rezession 2002/03 oder während der Finanzkrise 2008 -, war dies rückblickend stets ein guter Kaufzeitpunkt.
Wer hat Substanz?
Capital hat die Substanz der DAX-30-Konzerne genau analysiert. Das KBV (ausgewiesenes Eigenkapital je Aktie in Relation zum Kurs) lieferte lediglich den Ausgangspunkt. Für die Betrachtung wichtig waren überdies der um immaterielle Vermögenswerte (Goodwill) bereinigte Buchwert in Relation zum Kurs, die Nettofinanzlage des Konzerns, die Höhe seiner ungedeckten Pensionsverpflichtungen und das Rating bei der Agentur Standard & Poor's.


Ziel war nicht die absolute Bewertung einer Aktie, sondern ein Vergleich der DAX-Werte untereinander: Welche Konzerne sind im Verhältnis substanzstark, welche nicht?
Heraus kamen teils erstaunliche Ergebnisse: Zu den robustesten und somit für Anhänger der Value-Strategie am besten gegen Kursstürze abgesicherten Werten gehören nicht die großen Industriekonzerne RWE , BMW , Eon  oder ThyssenKrupp , sondern vor allem Konsumgüterhersteller wie Adidas  oder Beiersdorf  sowie Versicherungskonzerne wie Allianz  oder Münchener Rück .
Ausgerechnet zwei Werte aus der Finanzbranche? Das widerspricht der Erfahrung vieler Anleger aus den vergangenen fünf Jahren, in denen sie mit Papieren von Banken und Versicherungen viel Geld verloren haben. Fondsmanager Leber hält dagegen: "Eine Substanzanalyse etwa über den Buchwert funktioniert mit Finanzwerten genauso gut wie für andere Unternehmen auch."
Viele Aktien, die in der Capital-Analyse gut abschneiden, waren in der Vergangenheit keine Börsenraketen. Trotz über die Jahre steigender Gewinne und fortlaufender Investitionen (und somit zulegender Buchwerte) kommen die Kurse kaum von der Stelle.
Spitzenreiter im Capital-Ranking: die Münchener-Rück-Aktie
Kursinformationen und Charts
  Münchener Rück 121,5 EUR  [-0.85 -0,69%
  Allianz 92,59 EUR  [-0.77 -0,82%
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Beispiel Münchener Rück: Der Rückversicherer gibt sich in keiner Kategorie eine Blöße. Das KBV beträgt glatt eins, wobei nur ein sehr geringer Teil auf immaterielle Vermögenswerte entfällt, wie sie etwa bei Firmenübernahmen anfallen können. Dazu kommen eine starke Nettofinanzlage, eine in Relation zum Börsenwert überschaubare Differenz zwischen Planvermögen und Pensionslasten und ein starkes Rating von "A" bei Standard & Poor's (S&P). Besser schnitt unter dem Strich kein DAX-Konzern ab. Dennoch notiert die Münchener-Rück-Aktie gerade einmal bei einem Drittel des Wertes, den sie vor zehn Jahren hatte.
Seit einigen Monaten kommt nun Zug in das Papier. Im Gegensatz zum DAX hat es sein Zwischenhoch vom März bereits wieder überlaufen. In den vergangenen zwölf Monaten hat der Kurs um rund 50 Prozent zugelegt.
Beispiel Allianz: Der Versicherungskonzern ist derzeit an der Börse mit einem Abschlag von 30 Prozent auf seinen Buchwert zu haben. Die Liquiditätslage ist ausgezeichnet, die S&P-Ratingnote mit "AA" die beste aller DAX-Konzerne überhaupt. Zudem sind die nicht vom Planvermögen gedeckten Pensionslasten mit rund 16 Prozent des Börsenwerts überschaubar.
Der Grund für das niedrige KBV ist weniger ein geringes Eigenkapital, sondern vielmehr die schwache Kursentwicklung: Die Allianz wurde von den Anlegern mit anderen Unternehmen der Finanzbranche in Sippenhaft genommen. Mit derzeit rund 95 Euro liegt der Aktienkurs auf dem gleichen Niveau wie 2008. Und obwohl der Münchner Versicherungskonzern lediglich 40 Prozent seines ausschüttungsfähigen Gewinns an die Aktionäre auskehrt, beträgt die fürs laufende Jahr erwartete Dividendenrendite rund fünf Prozent.
Eine schleppende Kursentwicklung kann umgekehrt auch auf eine schwache bilanzielle Substanz hindeuten: So büßten die Aktien der Deutschen Lufthansa und Metro auf Jahressicht 20 beziehungsweise 27 Prozent ein - der DAX legte im selben Zeitraum um rund ein Viertel zu. Beide Konzerne gehören laut Capital-Analyse zu den weniger robusten Aktien.
Das KBV von Metro liegt zwar bei ordentlichen 1,1. Die Nettofinanzschulden betragen jedoch rund 4 Mrd. Euro - bei einem Börsenwert von 6 Mrd. Euro. Überdies sind Pensionslasten in Höhe von 1 Mrd. Euro nicht durch Planvermögen gedeckt.
Der Softwarekonzern SAP - seit Kurzem der nach Marktkapitalisierung größte Wert im Index - besticht zwar durch eine sehr gute allgemeine Finanzlage, kommt bei der Substanzanalyse ansonsten aber auf ähnlich schwache Ergebnisse wie der Handelsriese aus Düsseldorf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Unternehmen in hohem Maße vom intellektuellen Kapital seiner Mitarbeiter lebt. Weil das bilanziell schwer messbar ist, gibt es Abzüge beim bereinigten Kurs-Buchwert-Verhältnis.
Überraschender ist da das schlechte Abschneiden von Vertretern der Old Economy wie RWE oder Deutsche Post. Besonders das Beispiel des Versorgers RWE zeigt, dass ein Blick hinter die Kulissen vor einer Kaufentscheidung lohnt: Mit einem KBV von 1,3 ist der Konzern ziemlich genau DAX-Mittelmaß. Große Teile des Eigenkapitals bestehen jedoch aus immateriellen Vermögenswerten. Den Konzern belasten netto rund 30 Mrd. Euro Finanzschulden, die auch Ratingagenturen skeptisch stimmen: Erst Ende Juli verlor RWE sein "A"-Rating. Die neue Note "BBB+" weist das Unternehmen als einen der finanziell schwächeren DAX-Konzerne aus.
Börsenstars setzen auf den Buchwert
Einer, der Substanz und Buchwert traditionell große Aufmerksamkeit schenkt, ist Starinvestor Warren Buffett: Für ihn ist vor allem entscheidend, wie sich der Buchwert seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway entwickelt. Der Börsenkurs ist für ihn zweitrangig, er stellt lediglich eine Momentaufnahme dar. Folglich versucht Buffett gar nicht erst, dem Kurs mit Aktienrückkäufen oder Dividendenausschüttungen kurzfristig Dampf zu machen.
Zukäufe tätigt er ebenfalls nur dann, wenn das Zielunternehmen an der Börse ein KBV von maximal 1,1 aufweist, also mit höchstens zehn Prozent Aufschlag auf das bilanzielle Eigenkapital gehandelt wird.
Im Deutschen Aktienindex würde der Amerikaner da schnell fündig: Neun Werte notieren derzeit mit einem KBV von eins oder niedriger. Bei einem DAX-Konzern kauft Buffett seit 2010 regelmäßig zu und hat inzwischen einen Anteil von 11,2 Prozent aufgebaut. Der Name des Unternehmens kann kaum überraschen: Es ist die Münchener Rück.
Aus dem Magazin
Den ausführlichen Artikel finden Sie in Capital Heft 09/2012.

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21:12:39 Kursinformationen und Charts
Name aktuell  absolut  
Münchener Rück 121,5 EUR   -0,69%  -0.85
Allianz 92,59 EUR   -0,82%  -0.77
Beiersdorf 57,1 EUR   -0,63%  -0.36
Adidas 63,84 EUR   -0,81%  -0.52

Gefunden bei: capital.de

  • capital.de, 29.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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