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Merken   Drucken   28.09.2012, 18:48 Schriftgröße: AAA

Goldgräberin Belinda Mulrooney: Die Königin des Klondike

Große Zeiten, harte Männer - und mittendrin eine ungewöhnliche Frau: Als der Goldrausch über Alaska hereinbricht, fackelt die 25-jährige Unternehmerin Belinda Mulrooney nicht lang. Sie macht sich auf an den Klondike-River und wird zur Königin der Goldgräberstätte. von Sarah Katharina Schmidt, Hamburg
"Gold am Klondike River!" Als diese Nachricht Belinda Mulrooney im März 1897 erreicht, verliert die junge Frau keine Zeit. Sie quetscht den Goldgräber Two-Fingers McKay aus, der gerade aus der entlegenen Region Alaskas zurückgekehrt ist in die Hauptstadt Juneau. Welche Ausrüstung wird sie brauchen? Welche Route ist zu dieser Jahreszeit passierbar? Und schon macht sich die 25-Jährige auf den so riskanten wie gefährlichen Marsch über verschneite Pässe und gefrorene Seen.
Es war ja auch höchste Zeit, dass endlich wieder etwas passierte im Leben dieser Frau, die gegen alle Konventionen ihrer Zeit ein Unternehmen nach dem anderen aufbaute - und nach jedem Scheitern neu begann. Mulrooney gründete Banken und Hotels, war Bauunternehmerin und Immobilienspekulantin und handelte mit allem, was hohe Margen versprach - eine Exotin in einer ruppigen, männerdominierten Welt. "Ein Vorteil war sicher, dass Belinda mittendrin war im Trubel des Goldrauschs", sagt ihre Biografin Melanie Mayer. "Alle waren zu beschäftigt, um sich zu wundern, dass da gerade eine Frau ein großes Geschäft aufzieht."
Nie wieder in ihrem Leben wird Mulrooney auf so ideale Bedingungen treffen wie in der Wildnis Alaskas, kurz bevor eine ganze Welle euphorischer Goldsucher hereinbricht. Menschen im Aufbruch, große Verheißungen, die nötige Prise Chaos - das ideale Umfeld für Mulrooneys Kreativität, ihren Biss und Geschäftssinn. Und das Abenteuer Klondike ist bei Weitem nicht ihre erste Unternehmung.
Allein unter Männern zieht Belinda Mulrooney (2.v.r.) 1897 duch ...   Allein unter Männern zieht Belinda Mulrooney (2.v.r.) 1897 duch das verschneite Alaska an den Yukon - nur eines von vielen Projekten der hartgesottenen Unternehmerin
Mit 17 verdient die Tochter irischer Auswanderer ihr erstes eigenes Geld als Kindermädchen und geht nach Chicago, wo gerade die Weltausstellung von 1893 vorbereitet wird. Die junge Frau schaut sich die Pläne an und erkennt, welchen Schub das Riesenprojekt für die umliegenden Viertel bedeuten wird. Sie kauft von ihrem Ersparten ein Grundstück und lässt ein Haus errichten, das sie wenig später wieder verkauft, um mit dem Gewinn ein Restaurant zu eröffnen. Mit Würstchen und Mittagstisch für 25 Cent macht sie das große Geld, als die Besuchermassen einfallen.
"In nur wenigen Monaten hat Mulrooney Baugewerbe, Immobilienhandel und Gastronomie ausprobiert", sagt Biografin Mayer. "Sie hat sich Buchhaltung beigebracht, gelernt, ein Unternehmen zu managen und durch geschicktes Marketing ihre Produkte an den Mann zu bringen." Und Chicago ist erst der Anfang.
Mulrooney zieht weiter nach San Francisco und investiert mit einem Geschäftspartner in ein heruntergekommenes Gebäude. Doch kaum hat sie ihr ganzes Geld in den Umbau gesteckt hat, brennt das Haus ab - angezündet von ihrem Partner, der die Versicherungsprämie einstreicht.
Belinda Mulrooney muss wieder bei Null anfangen und heuert als erster weiblicher Steward auf einem der Dampfschiffe an, die zwischen Seattle und Alaska verkehren. Zuerst sind Crew und Kapitän der "City of Topeka" skeptisch, aber bald schon macht sich die geschäftstüchtige Frau unersetzlich. Neben ihrem Job zieht sie an Bord einen Wäscheservice auf und verkauft den Passagieren Wanderstöcke und Liegestühle. Die Siedler in den entlegenen Zielhäfen bestellen bei ihr Waren aller Art. Ob Kanarienvogel oder Kuh - es gibt nichts, was Mulrooney nicht verschiffen kann.
Bald schon beschweren sich die Händler in Alaska über die vagabundierende Konkurrentin. Also wird die Irin eine von ihnen und eröffnet einen Laden in der Hauptstadt Juneau. Doch das sesshafte Leben behagt Mulrooney nicht. Die Nachricht vom Gold  am Klondike kommt ihr gerade recht.
Mit dem Schiff holt sie die nötige Ausrüstung aus Seattle, dann kämpft sie sich mit ein paar Gleichgesinnten über den Chilkoot Trail, einen eisigen und verschneiten Passweg. Mehr als 1000 Höhenmeter überwindet die Karawane - erst nach 30 Touren ist die Ausrüstung auf Schlitten über das Küstengebirge von Alaska geschleppt. Über gefrorene Seen und dann durch die reißenden Stromschnellen des Yukon geht die gefährliche Reise weiter nach Dawson, dem kleinen Lager an der Flussgabelung zum Klondike.
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Dort sind alle Claims schon abgesteckt - aber Mulrooney ist auch nicht zum Goldschürfen hier. "Mit jedem Unternehmen, das sie angeht, ist sie den einen entscheidenden Schritt voraus. Sie hatte ein großartiges Talent zu erkennen, was die Leute in naher Zukunft brauchen und kaufen würden", sagt Mayer.
In diesem Fall ist das: Seidenwäsche. Die Frauen am Klondike, die mit ihren Männern oder als Prostituierte in der Wildnis leben, sind hin und weg von dem zarten Luxus - und seit dem Winter schwerreich. 600 Prozent soll Mulrooneys Gewinnmarge für ihre Nachthemden, Unterröcke und Dessous betragen haben.
Wieder investiert die geborene Unternehmerin sofort ihren Gewinn. Sie weiß, dass bald Hunderte Neuankömmlinge eine Bleibe und warme Mahlzeiten brauchen, lässt Blockhütten und ein Restaurant bauen. Es folgt ein Hotel und bald darauf ein zweites. Um ihr "Grand Forks" herum entsteht eine ganze Stadt am Flussbett jener Claims, die als "Bonanza" und "Eldorado" in die Geschichte der Goldrausch-Ära eingehen werden.
1899 ist Belinda Mulrooney eine der zentralen Figuren am Klondike. Ihr gehören nicht nur zwei Hotels, sie handelt auch mit Ausrüstung und Vorräten, wickelt Bankgeschäfte ab und betätigt sich als Immobilienmaklerin. Sie ist die Direktorin der lokalen Telefongesellschaft und einer Erz- und Bergbaufirma. Und dann begeht Belinda Mulrooney, die knallharte Geschäftsfrau, die sich ein Leben lang unter Männern behauptet hat, ihren größten Fehler: Sie heiratet.
In Maßanzug, Gamaschen und Glacéhandschuhen ist ein dicker, schnauzbärtiger Mann in ihr Leben spaziert. Seine Visitenkarte weist ihn als Graf Charles Eugene Carbonneau aus. Beruf: Geschäfts- und Lebemann. Mit Charme, europäischem Flair und einem Rudel Huskys wickelt der selbst ernannte französische Adlige die Hundenärrin um den Finger. Fühlt sie sich tatsächlich von ihm angezogen? Ist der Wunsch nach Mann und Kindern größer als ihr sonst so feines Gespür für Menschen? Es bleibt ein Rätsel, warum sich Mulrooney - trotz der Warnungen guter Freunde - auf die Hochzeit einlässt. Es folgen Reisen nach Europa, Galadiners und teure Kleidung. Belinda genießt die kultivierte Welt, die ihr Mann ihr eröffnet.
Währenddessen verzockt Carbonneau in windigen Anlagegeschäften das gemeinsame Vermögen. Als Belinda ihren Fehlgriff endlich einsieht, ist Carbonneau bereits mit ihrem restlichen Geld untergetaucht. Eine bittere Enttäuschung - der Traum von Romantik und einer eigenen Familie sind für die gläubige Katholikin für immer abgehakt. Doch als Unternehmerin fängt Mulrooney ein weiteres Mal von vorn an.
Sie gründet eine Bank und errichtet nahe Seattle ein Landgut samt Apfelplantage und einem Schloss, wieder kommen Wohnhäuser in der Stadt dazu. Ihrer Familie, zu der sie ein inniges Verhältnis hat, sichert sie ein einträgliches Auskommen - bis sie in der Weltwirtschaftskrise erneut alles verliert. Mulrooney verdingt sich als Näherin, während des Zweiten Weltkriegs findet sie Arbeit in einer Kriegswerft, da ist sie bereits Ende 60. "Warum nicht?", sagt Mulrooney einem Reporter. "Ich habe schließlich mein Leben lang gearbeitet und dies ist sicherlich nicht die Zeit, nutzlos herumzusitzen. Schließlich haben wir einen Krieg zu gewinnen." Auch nach Kriegsende arbeitet sie dort weiter.
Als Belinda Mulrooney 1967 mit 95 Jahren in Seattle stirbt, hat sie alle überlebt, die hätten berichten können, mit wie viel Mut, Tatkraft und Ausdauer sie ihr Leben gestaltet hat. Niemand protestiert, als in ihre Sterbeurkunde der Beruf eingetragen wird, den Mulrooney ein Leben lang gemieden hat wie die Pest: Hausfrau.
  • FTD.de, 28.09.2012
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