Der Junge ist seit zehn Jahren tot, sein Mörder seit neun Jahren verurteilt. Doch der Fall ist in vielen Köpfen nicht abgeschlossen. Denn auf der Suche nach dem entführten Bankierssohn
Jakob von Metzler überschritt die Polizei 2002 eine Grenze, die Empörung schlug hoch, schließlich befasste sich sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Um einen Hinweis zu bekommen, ließ Frankfurts damaliger Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner dem Entführer "unmittelbaren Zwang" androhen.
Was genau Hauptkommissar Ortwin Ennigkeit dem Jurastudenten Magnus Gäfgen im Vieraugenverhör sagte, ist bis heute unklar. Es wird in der filmischen Rekonstruktion "Der Fall Jakob von Metzler", die am 24.09.12 im
ZDF läuft, deshalb auch nicht gezeigt. "Wir wollten nicht polemisch sein", sagt Drehbuchautor Jochen Bitzer. Jedenfalls gab der Entführer anschließend das Versteck des Kindes preis, nachdem er zuvor vier Tage geschwiegen hatte. Wie sich erwies, kam jede Hilfe zu spät: Gäfgen hatte den Jungen bereits kurz nach dem Kidnapping getötet. Bis heute wird der Fall Metzler als Fall Daschner unter Juristen kontrovers diskutiert. Was die einen als illegitime Folter bezeichnen, erscheint anderen als berechtigte Nothilfe.
Bereits 2006 begannen beim ZDF die Überlegungen, mit einem Dokumentarspiel den Ereignissen noch einmal emotional wie faktentreu nachzuspüren. In Kooperation mit Daschner und der Familie von Metzler, aber ohne Gäfgen hinzuziehen, wurde ein Konzept entwickelt, das im vergangenen Jahr unter großer Geheimhaltung mit Robert Atzorn als Polizeivizepräsidenten realisiert wurde. Das Drehbuch von Bitzer ("Der Mann aus der Pfalz"), das sich nur auf belegbare Fakten stützt, ist fein austariert wie eine Goldwaage: Auf jeder Schale hat Bitzer die moralischen Fragen den handelnden Figuren zugeordnet. Da gibt es einen bis zur Unkenntlichkeit verhärmten Atzorn als grundkorrekter Polizeivizepräsident, der dem Vater des entführten Jungen (Hanns Zischler als Friedrich von Metzler) versprochen hat, "alles ihm in der Macht Stehende" zu tun, um das Leben des Kindes zu retten. Ihm zur Seite der zupackende Uwe Bohm als Hauptkommissar Ennigkeit, der seinen Vorgesetzten noch eben fragt, ob denn auch alles juristisch abgesichert sei, dann aber mit Wucht ins Verhör einsteigt. Und schließlich sind da noch der eitle und selbstvergessene Entführer Gäfgen (Johannes Allmayer), den man so gar nicht bemitleiden mag, sowie die tapfere Familie von Metzler, die in ihrem Bemühen, alles richtig zu machen, wiederum sehr anrührend wirkt.