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Merken   Drucken   28.09.2012, 16:01 Schriftgröße: AAA

Schuldenkrise: "Kampfbudget" soll Frankreich sanieren

Der französische Präsident François Hollande stemmt sich mit dem härtesten Sparprogramm seit Jahrzehnten gegen die Haushaltsnot. Der Sozialist will die EU-Schuldenregeln 2013 um jeden Preis einhalten. Mit seinen Plänen gibt er auch ein Wahlversprechen auf.
© Bild: 2012 Reuters/EDUARDO MUNOZ
Der französische Präsident François Hollande stemmt sich mit dem härtesten Sparprogramm seit Jahrzehnten gegen die Haushaltsnot. Der Sozialist will die EU-Schuldenregeln 2013 um jeden Preis einhalten. Mit seinen Plänen gibt er auch ein Wahlversprechen auf. von Leo Klimm  Paris
Frankreich hat den härtesten Haushaltsentwurf seit rund drei Jahrzehnten vorgelegt, um die EU-Defizitregeln im kommenden Jahr um jeden Preis einzuhalten. Der am Freitag in Paris präsentierte Plan sieht vor allem massive Steuererhöhungen vor. Der Haushalt 2013 sei ein "Kampfbudget", das "Vertrauen zurückgeben und die Schuldenspirale durchbrechen" soll, sagte Premierminister Jean-Marc Ayrault.
Der Etat sieht vor, eine historisch große Finanzlücke von rund 30 Mrd Euro zu stopfen. Zwei Drittel davon werden jedoch nicht durch tatsächliche Einsparungen eingespielt, sondern durch höhere Steuern, die sowohl Wohlhabende, Großunternehmen als auch die breite Masse treffen. En passant gibt die Regierung in ihrer mehrjährigen Finanzplanung auch ein Wahlversprechen des sozialistischen Präsidenten François Hollande auf: Bis 2017 soll das französische Staatsdefizit nun nicht mehr auf Null gedrückt werden - sondern dann bei 0,3 Prozent liegen. Ein Wert, den der EU-Fiskalpakt erlaubt.
Der Haushalt 2013 ist darauf ausgelegt, die Neuverschuldung auf 3 Prozent zu senken. 2012 wird sie noch bei 4,5 Prozent liegen. Hintergrund des Sparetats ist die Angst der Regierung vor den Finanzmärkten: Paris fürchtet, dass - ähnlich wie bei Italien und Spanien - die Zinszahlungen für Staatsschulden explodieren, sollte Frankreich von seiner Zusage abweichen.
Allerdings drängen immer mehr Politiker aus der sozialistischen Mehrheit darauf, bei der EU-Kommission um einen Aufschub zu bitten. Ebenso wie etwa der Hollande-Berater und Harvard-Ökonom Philippe Aghion rechnen sie unverhohlen damit, dass der Fehlbetrag von 3 Prozent im kommenden Jahr angesichts des schwachen Wachstums nicht zu erreichen ist. Halte man sklavisch an dem Ziel fest, argumentieren sie, werde ein Nachtragshaushalt mit neuen Sparmaßnahmen nötig - und eine Rezession in Frankreich noch wahrscheinlicher.
Trotz des düsteren Konjunkturumfelds und ständig steigender Arbeitslosigkeit geht die Regierung für 2013 von einem Plus von 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Hollande und Ayrault hoffen darauf, dass die Euro-Schuldenkrise abflaut. Die Prognosen seien "realistisch und ehrgeizig", so Ayrault.
Die konservative Opposition und die Wirtschaft kritisierten die Verteilung der Lasten im neuen Haushalt. "Es gibt keine einzige Strukturreform", sagte Gilles Carrez, Haushaltsexperte der konservativen UMP-Partei. Wirtschaftsvertreter wie Jean-Paul Agon, Chef des Kosmetikkonzerns L'Oréal , warnen, dass die Steuererhöhungen für Topverdiener Kapital und fähige Manager aus dem Land vertreiben. Mit dem neuen Etat wird auch Hollandes Steuer von 75 Prozent auf Arbeitseinkommen von mehr als 1 Mio. Euro eingeführt. Sie gilt nicht für Kapitalerträge und soll nach zwei Jahren wieder abgeschafft werden. Etwa 3000 Spitzenverdiener - darunter auch Sportler und Künstler - sind davon betroffen.
"Die Steuerlast des reichsten Prozent der Haushalte wird allein um 2,8 Mrd. Euro steigen", heißt es im Pariser Finanzministerium. Die linke Regierung möchte den Etat als sozial gerecht darstellen. Nach Ayraults Angaben steigt die Steuerlast durch den Haushaltsplan für 90 Prozent der Franzosen nicht.
Tatsächlich jedoch wird die Steuerschraube für viele von ihnen angezogen: 2013 werden etwa 10 Millionen der insgesamt 18 Millionen steuerpflichtigen Haushalte mehr an den Staat abführen müssen. Denn schon vor dem Budget war die Abschaffung steuerfreier Überstunden und die Senkung von Freibeträgen für Familien beschlossen worden. Zudem werden die oberen Einkommensgrenzen zur Berechnung der Steuern nicht mehr der Inflation angepasst. Kapitalerträge werden künftig so hoch besteuert wie Einkommen aus Arbeit. Insgesamt steuern die Haushalte damit etwa 10 Mrd. Euro zur Defizitsenkung zu. Auf große Firmen entfällt - im wesentlichen durch die Abschaffung von Abschreibungsmöglichkeiten und die Anhebung von Unternehmenssteuern - derselbe Betrag.
Bei sich selbst spart der Staat nur vorsichtig: Die öffentlichen Ausgaben werden beim Rekordwert von 56,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stabilisiert. Im Gesamtetat sinken sie relativ um 10 Mrd. Euro, weil sie eingefroren werden. Die Lohnsumme im öffentlichen Dienst soll demnach nicht steigen, staatliche Agenturen wie die nationale Forstverwaltung werden zu Einschnitten gezwungen. Zwischen den Ministerien gibt es allerdings erhebliche Verschiebungen: Weil im Schulwesen und bei der Polizei Jobs geschaffen werden, müssen andere Ressorts im kommenden Jahr 12.000 Stellen streichen. Vor allem die Ministerien für Landwirtschaft, Verteidigung, Finanzen und Kultur sind von den Kürzungen betroffen.
  • FTD.de, 28.09.2012
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