Drei Monate früher als geplant schicken die Sozialdemokraten ihre Troika in den Ruhestand - und machen Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten. Dass auf einmal alles ganz schnell geht, kam nicht ganz freiwillig.
von Jens Tartler
und Ulrike SosallaBerlin
Immer wieder in den vergangenen Tagen haben sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der einfache Abgeordnete Peer Steinbrück getroffen, mal beim Frühstück, mal zum Mittagessen, und die K-Frage gewälzt. Tagelang rangen die drei Männer mit der Entscheidung, die ihre Leben und ihre Partei mindestens ein Jahr lang prägen wird. Und dann, als sie merkten, dass sie ihrer Partei keinen Gefallen tun, wenn sie noch länger zögern, ging alles ganz schnell und fast konfliktfrei.
Die Entscheidung fiel nicht ganz freiwillig. Druck kam aus den beiden wahlkämpfenden Landesverbänden Niedersachsen und Bayern, denen das Gezerre in Berlin zunehmend auf die Nerven ging. Und noch mehr Druck kam von Medien und Basis, denen die Troika immer weniger erklären konnte, warum sie sich nicht einfach auf einen Mann einigten.
Und warum auch nicht? Sigmar Gabriel hatte ohnehin schon eingesehen, dass er selbst nicht in Frage kam. Trotz seiner Umtriebigkeit, trotz aller Interviews und Twitter-Fragestunden lag er in Umfragen immer noch weit, weit hinter Merkel. Blieben Steinmeier und Steinbrück. Steinmeier, so heißt es in der SPD, zögerte bis zuletzt. Er hätte die Kandidatur wohl akzeptiert, wenn seine Partei sie ihm aufgedrängt hätte. Aber die drängte nicht. Sowohl der SPD als auch Steinmeier selbst sitzt immer noch die krachende Niederlage von 2009 in den Knochen.
Und dann war da Steinbrück. Der Ex-Finanzminister wollte die Kanzlerkandidatur, "er brennt dafür", sagen Vertraute. Mit 67 Jahren ist es seine letzte große Chance. Er hat nicht viel zu verlieren - aber viel zu gewinnen. Sollte er wider alle Erwartungen, tatsächlich Kanzler werden, wäre es ein historischer Sieg. Und selbst wenn er seine Partei auch nur aus ihrem tiefen Umfragetal auf irgendeinen Wert über 30 Prozent befördern würde, könnte er sich das noch als großartige Leistung ans Revers heften.
Wie sehr Steinbrück Kandidat werden wollte, hatte er in den letzten Wochen gezeigt: Für seine Verhältnisse geradezu übermenschlich zahm hatte er sich der Parteilinken gegenüber verhalten, sogar eigene Fehler eingeräumt, etwa bei der Abgeltungssteuer, die dann doch zu niedrig ausgefallen sei. Sein Bankenpapier hatte er so zugeschnitten, dass die ganze Partei dahinter stehen konnte, und versichert, dass er seit seiner Zeit als Finanzminister dazugelernt habe, was die Bankenregulierung angeht.
Skeptiker fürchten, dass dieser neue, versöhnliche Steinbrück nicht ein ganzes Jahr lang durchhält. Die frühe Nominierung ist gerade für den aufbrausenden Ex-Finanzminister eine schwere Last. "Wenn wir den Kandidaten jetzt schon benennen, wird der ein Jahr lang durch die Mühle gedreht", verteidigte er noch vor wenigen Tagen den offiziellen Kurs seiner Partei, die K-Frage erst im Januar zu klären. Nun muss er da durch. Und gerade Steinbrück, der sich nicht verbiegen lässt, dürfte das schwerer fallen als jedem anderen.
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